Teilen:

2409
Gereimtes und Ungereimtes

Als die Welt noch in Ordnung war

Beelzebub und der Teufel  habe ich 1980 geschrieben, also hautnah zur Zeit der Handlung. Bevor es ab nächster Woche wieder richtig schlimm wird, steuere ich hier etwas aus meiner Abiturklasse von 1964 bei. In diesem Alter wollten andere junge Männer Mädchen imponieren oder Sport-Urkunden einheimsen. Ich wollte Versmaß können und schrieb Sonette. Aber auch Stanzen (Italienisch: Ottava rima) lagen mir, sogar mit kühn abgewandeltem Reimschema: (cc-dd statt ab-cc am Ende). Hier ein Beispiel, damit meine Leserschaft sieht, was sie bereits ahnt: Ich war nicht schon immer so wie 1979.
Sondern so:

S O M M E R M O R G E N

Am Morgen taucht, wenn noch die Nebel quellen,
das Land aus dumpfer Abgeschiedenheit.
Die Lerche jubelt steigend ihren hellen
Gesang der Sonne zu; sie schwingt sich weit
durch allen Dunst zum warmen, blauen Gral
des Himmels, der sein klares Licht ins Tal
glitzernd hinabperlt. – Hörnerklang erfüllt
den neuen Tag, der lautlos zum Orchester schwillt.

Das Korn erbebt; es fängt die klaren Rufe
und spinnt sanft summend fort das neue Lied.
Ein Fohlen hebt verschlafen seine Hufe,
während die Stute schon zum nahen Brunnen zieht.
Allmählich sammelt sich die volle Herde
an einem Zaun, von Sträuchern überdacht.
Blumen und Blätter bannt ein Duft nach Erde,
bis bald auch ihre Melodie erwacht.

Titel- und Abschlussbild von Shutterstock: talseN (Sonnenuntergang) | Patryk Kosmider (Pferd mit Fohlen)

39 Kommentare zu “Als die Welt noch in Ordnung war

  1. Herr Rinke, in der Tat, was für ein Kontrast zum Lederclub. Man braucht natürlich beide Seiten für ein erfülltes Leben.

      1. Früher Morgen und späte Nacht. Die passenden Outfits kann sich ja jeder selbst dazu aussuchen.

      1. Viele Menschen fühlen sich wohler mit der Idee, die Welt in Ordung bringen zu müssen, als sie in Ordnung zu finden. Andere finden die Welt einfachheitshalber auch da in Ordnung, wo sie es gar nicht ist.

      2. Das kommt dann j auch ganz darauf an wie man sein Leben leben möchte. Soll die Energie in den Kampf für mehr Gerechtigkeit und besseren Klimaschutz fließen, oder arrangiert man sich mit dem Status Quo und konzentriert sich auf sich selbst.

      3. Es gibt ja auch eine gesunde Mischung. Man muss das nicht immer alles so schwarz/weiss sehen.

  2. Es soll ja auch Mädchen geben, denen man durch Poesie imponieren kann. Jungs auch. Noch seltener allerdings.

      1. Möglicherweise hätte es sogar einen gegeben, den es gefreut hätte. Gezeigt oder öffentlich gesagt hätte es wahrscheinlich keiner.

      2. Ob man sich nun verprügeln lassen will um diese eine Ausnahme zu finden … eher nicht.

      1. Mit 24 wusste ich immer noch nicht so richtig wohin ich im Leben wollte. Mein Tempo war wohl deutlich langsamer.

  3. Und ich dachte schon, dass es sofort Schlag auf Schlag weiter geht. Aber dieses wunderbare Gedicht ist ja in der Tat eine kleine Verschnaufpause. Vielen Dank.

  4. Ob Morgen nach der Wahl die Welt wieder etwas mehr in Ordnung sein wird? Wird einem das nicht immer versprochen?

    1. Sie wird es selbstverständlich nicht sein. Vielleicht singen aber wenigstens die Lerchen. Unabhängig vom Wahlsieger natürlich.

      1. Am Wahlabend ist ja wie bei Romeo und Julia erst mal die Nachtigal dran. Deren ‚Gesang‘ ist etwas weniger aufdringlich als das schrille Lerchengezwitscher. Das gellt dann am Montag Morgen durch die Partei-Zentralen.

      2. Erstmal singt die Nachtigall, dann kommen langsam die Geier und schauen wie sie die Überreste der geschlagenen CDU am besten verwerten können.

      1. Als Minimum muss man wohl hoffen, dass überhaupt möglichst viele Menschen wählen gehen.

      2. Und nicht nur die entrüsteten Protestwähler. Oft schafft man es ja leider nicht die ‚Richtigen‘ an die Wahlurne zu locken. Die AfDler hingegen wählen ziemlich zuverlässig.

  5. Die Mädchen wollte man in der Schule natürlich schon beeindrucken. Sporturkunden waren dabei ein gutes Mittel. Allerdings nicht unbedingt meines. Dafür war ich bei solchen Wettbewerben dann doch ein Stück zu faul.

Schreiben Sie einen Kommentar!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

15 − 1 =