1. Kapitel: 1971

Wenn ich wegmusste, dachte ich immer, meine Welt ginge unter. Das erste Mal musste ich weg, als ich ein Jahr alt war. Als ich das nächste Mal wegmusste aus Berlin, sollte es für immer sein, dieses Mal allerdings zusammen mit meinen inzwischen verheirateten Eltern, 1953. Als ich zum dritten Mal wegsollte, war es meine Schuld – in gewisser Weise. Ich hatte bei der Prüfung zum ‚Industriekaufmann‘ so gut abgeschnitten, dass mir laut Statuten ein Auslandsjahr gewährt wurde. Nach den paar Semestern Jura und dem scheinbar berufshinderlichen Kompositionsstudium hatte ich bei der ‚Deutschen Grammophon‘ als Spätlehrling Unterschlupf gefunden.

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#1.9 Douglas

So lief das 1971 bei mir. Genauer: lief nicht. Trotzdem war ich verwegen genug, den Sommer über an den Samstagabenden über den Hampstead Heath zu steigen und den Pub ‚King George IV‘ anzusteuern. Allerdings nicht, ohne vorher als Mutmacher ein oder zwei Martinis getrunken zu haben.

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#1.8 In vollen Zügen

Am Sonntag war ich mit Jennipher, über die ich ausnahmsweise mal keine Lust habe, viel zu sagen, im Zoo; am Montag begann meine letzte Vertreterwoche, mit dem Mann für London, Brian. Er war so liebenswürdig, mich abends immer zu meiner Wohnung zu fahren, nur am Donnerstag nicht, weil er da eine Verabredung hatte.

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#1.7 Die große Welt

Am Dienstag musste ich mit dem Zug nach Glasgow, so dass mir Edinburgh auf Anhieb nachträglich hübsch vorkam, am Mittwoch und Donnerstag war ich, immer von meinem Hotel aus, anderweitig unterwegs. Aus St. Andrews, der Wiege des Golfs, brachte ich als vorausgeplante Weihnachtsüberraschung meinem Vater einen Stich von längst toten Spielern mit. Mehr konnte ich in dieser Hinsicht nicht für ihn tun.

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#1.6 Im Graben

Am Montagmorgen holte mich George Wishard ab, und dass ich seinen Namen nach siebenundvierzig Jahren immer noch, ohne nachzuschlagen, mühelos aus meinem Gedächtnis kramen kann, während ich überlegen muss, wie die deutsche Umweltministerin heißt oder der Schauspieler, der im vorletzten Tatort der Täter war, zeugt davon, welche durchgreifende Rolle George Wishard in meinem Leben gespielt hat.

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#1.5 Vom Grenzgänger zum Groupie

Meine Eltern waren auf den Bahamas, um sich dort eventuell ein Grundstück zuzulegen; Harald malte sicher gemütlich im Keller seiner Eltern; Tine fing an, sich für den Abend zu schminken. Oder meine Eltern waren über dem Atlantik abgestürzt, Harald die Kellertreppe runtergefallen, und Tine hatte sich am Lippenstift verschluckt.

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#1.4 Very hot

Später, als ich dann wieder zurück war in Hamburg, erschien es mir wie ein fast nahtloser Übergang. Aber das stimmte nicht. Neue Freundschaften, neuer Ehrgeiz – ich hatte mich gehäutet ...

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#1.3 Unsere Epoche

Als ich zum dritten Mal wegsollte, war es meine Schuld – in gewisser Weise. Ich hatte bei der Prüfung zum ‚Industriekaufmann‘ so gut abgeschnitten, dass mir laut Statuten ein Auslandsjahr gewährt wurde. Nach den paar Semestern Jura und dem scheinbar berufshinderlichen Kompositionsstudium hatte ich bei der ‚Deutschen Grammophon‘ als Spätlehrling Unterschlupf gefunden.

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#1.2 Misstrauen

Als ich das nächste Mal wegmusste aus Berlin, sollte es für immer sein, dieses Mal allerdings zusammen mit meinen inzwischen verheirateten Eltern, 1953. Mein Vater würde in Hamburg mehr Geld verdienen, meine Mutter fühlte sich in Westberlin sowieso eingekesselt, und ich weinte.

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#1.1 Abschiebehaft

Meine Freundin Anette Kanngießer mailte mir nach Meran, dass sie in der folgenden Woche nach Edinburgh fliegen werde. Ich mailte zurück, an Edinburgh habe ich auch ein paar Erinnerungen. „Schick sie mir doch“, schlug Anette vor, „dann kann ich mich auf dem Flug schon mal einlesen.“ Nun ist die ‚Mail‘ fertig, mit ein paar Monaten Verspätung: keine Einstimmung mehr, sondern ein Ausklang.

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Hanno Rinke

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