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Das Sterben

Eine Besonderheit des Menschen ist es zu sterben. Zwar können das auch andere Tiere, ja sogar Pflanzen, bei denen wird aber zumeist der Begriff ‚Verwelken‘ angewandt.

Foto links: Stokkete/Shutterstock | Foto rechts: Petair/Shutterstock

Steine, Zeitungen, Pfannkuchen und weitere Gegenstände können sich noch so große Mühe geben – es wird ihnen vielleicht gelingen zu zerbröseln, zu zerfleddern oder gegessen zu werden, aber es wird ihnen nicht gelingen zu sterben.

Foto: Aleoks/Shutterstock

Sterben zu dürfen ist ein Privileg derer, deren Zellen altern, eine Erscheinung, die allen Lebewesen gemein ist. Gemein. Hätte sich Gott beziehungsweise die Natur stabilere Geschöpfe ausgedacht, dann kämen diese auf Ewigkeit programmierten Hervorbringungen ohne den lästigen Fortpflanzungstrieb aus, der bereits zu Eigentümlichkeiten wie Masturbation mit Auberginen und Vergewaltigung von Frauen besiegter Völker geführt hat.

Foto links: Elenglush/Shutterstock | Bild rechts: gemeinfrei/Wikimedia Commons

Niemandem ist es vergönnt, nicht geboren zu werden, andernfalls heißt er nicht. Niemandem ist es vergönnt, nicht sterben zu müssen, was bei Verkehrsunfällen ärgerlich, bei Altersschwachsinn begrüßenswert ist. Erst das Silicon Valley will das Sterben jetzt weitgehend eliminieren. Ob’s klappt? Solche Abschaffungen sind ja bis heute nicht mal bei Hunger und Folter gelungen.

Foto: Stefanie Baum/Fotolia

Die Angst vor dem Sterben lässt sich unterteilen in die Furcht, davor zu leiden, und dem mulmigen Gefühl davor, was und ob anschließend noch etwas kommt. Dass da etwas kommt, ist naturwissenschaftlich nicht bewiesen, als Idee aber für Pflanzen und Tiere sehr tröstlich; denn was soll bei denen schon schiefgehen? Für den Menschen ist die Sache heikler, weil er sich einerseits das Inferno ausgedacht hat, um ertragen zu können, dass diejenigen, die böse Sachen machen, ohne dass sie auf dieser Welt darunter folgerichtig tüchtig leiden müssen, dass diese schlimmen Finger womöglich niemals, überhaupt niemals, bestraft werden könnten. Wäre das fies! Ganz Abgefeimte werden ja nicht mal von ihrem eigenen Gewissen belästigt, selbst wenn Kommissare und Kardinäle sich das so erträumen.

Foto: Rawpixel.com/Shutterstock

Andererseits ist so ein Inferno auch bei Religions- und Unheilstiftern beliebt, um Weichergesottene besser zu beherrschen, ihnen nämlich einzureden, es ginge ihnen schlecht anschließend an das Sterben, wenn sie nicht das tun, was sich der (Wort-)Führer als zweckmäßige Gesetze – für wen auch immer – ausgedacht hat.

Foto: Art Stocker/Shutterstock

Für einleuchtende Maßnahmen einer postirdischen Strafanstalt gibt es unzählige Beispiele in Kunst und Philosophie, Gottferne ist noch die – aus hiesiger Sicht – netteste Variante. Um den Versuch, die himmlischen Freuden schmackhaft zu machen, steht es dagegen weniger gut. Hungernden kann man was von gebratenen Tauben vorschwärmen und Musikliebhaber kann man auf Engelschöre einschwören. (Die geilen Jungfrauen des Islam, die sich auf zerfetzte Gotteskrieger stürzen, bilden eine besonders abstoßende Gruppierung). Für die breite Masse bleibt aber nur die Ausrede, dass sie nach dem Sterben ‚glücklich‘ sei, was – heutzutage – doch mehr nach Gehirnwäsche oder Psychodroge klingt als nach einer befriedigenden Ewigkeit. Dieses Thema wird die Menschheit also wohl beschäftigen, solange es sie gibt.

Foto: Kjpargeter/Shutterstock

Eine besondere Form des Sterbens ist neben Krieg und Krankheit der Selbstmord. Er wird im Allgemeinen aus Verzweiflung oder aus Neugier begangen und gilt den bis dato noch Lebenden als unschicklich: Man soll aushalten oder abwarten können. Suizide belegen nun mal allzu einschüchternd, dass der, dessen Weltbild zusammengebrochen ist, keine Rettung mehr sieht, es sei denn, den Heldentod.

Bild links: lizenzfrei/wikiart.org | Bild rechts: Nomad_Soul/Shutterstock

Wem Albernheiten große Freude machen, der kann auf Eigentötungsmöglichkeiten zurückgreifen wie: Erdogan angesichts von Ziegen-Peter-Pest in Anatolien, Trump bei klimabedingtem Tropensturm in Alaska, Putin bei viagrafreien Pissproben russischer Sportler, Merkel bei Unterstellung eines Gefühlsausbruchs, Kim Jong-un beim Friseur, Til Schweiger bei der Entgegennahme der Oscars für ‚Männliche Hauptrolle und Regie‘, Rosamunde Pilcher während ihrer Dankesrede für den Literatur-Nobelpreis, Ströbele als Reaktion auf den Sieg des Direktkandidaten der AfD für den Wahlkreis Kreuzberg-Friedrichshain –  und was sonst noch so für humorlose Kalauer erfindbar sind. Da sowieso jeder für sich allein stirbt, wenn auch ganz zum Schluss oftmals begleitet von gütigen Helfern oder gierigen Erben, gilt es als schön, wenigstens vorher nicht allein gelebt zu haben. Häufig jedenfalls. Manchmal ist allerdings auch das bereits ein Vorgeschmack auf die Hölle.

Bild: gemeinfrei/Wikimedia Commons | Titelillustration mit Foto von Stefanie Baum/Fotolia

16 Kommentare zu “Das Sterben

  1. Man fragt sich allerdings auch was schlimmer wäre: der unvermeidliche Tod oder das ewige Leben. Ich persönlich würde mich ja nach einem bestenfalls halbwegs erfüllten Leben für den Tod entscheiden. Die Aussicht bis in alle Ewigkeit weiterzumachen scheint mir doch sehr repetitiv.

    1. Und ein weiterer Streitpunkt ist tatsächlich ob das Alleinsein oder das Zusammenleben einen schneller in den Tod treibt. Meiner Erfahrung nach ist auch dies keine allzu leicht zu beantwortende Frage.

  2. Was sind denn das genau für Pläne, die man da im Silicon Valley schmiedet? Davon höre ich ja zum ersten Mal. Hat sich Apple das ewige iLife patentieren lassen? Oder wie?

    1. „Der Traum vom ewigen Leben ist uralt und Gegenstand unzähliger Sagen. Im Silicon Valley arbeiten namhafte Unternehmen mit teils beachtlichen Summen daran, ihn Wirklichkeit werden zu lassen.“ (FAZ 24.8.2027)
      „Chancen und Horror der Selbstoptimierung: Yuval Noah Harari entwirft in seinem Buch „Homo Deus“ das Bild eines neuen Menschen.“ (Der Tagesspiegel 16.4.2017) – Dies ist zurzeit das interessanteste Buch zu den Bemühungen des Silicon Valley, den Tod abzuschaffen.

    2. Habe eben mal das Internet durchforstet und versucht mich ein bischen schlau zu machen. Die Rezensionen reichen ja von scharfsinnig, fulminant, anregend, aufregend anmaßend bis hin zu Feuilleton-Philosophie. Scheint auf alle Fälle eine Lektüre wert zu sein. Danke für den Hinweis.

    3. Nun muss ich doch nochmal Stellung beziehen zu „Homo Deus“:. Vieles Interessante, aber als Gesamtkonzept nicht schlüssig. Auf der einen Seite bestreitet Harari vehement den freien Willen des Menschen, ohne auf die juristischen Folgen einzugehen, auf der anderen Seite erklärt er, was wer warum tun muss, damit es nicht so kommt, wie er kassandrat. Das passt nicht.

    4. Über Home Deus hört man entweder Jubelarien oder Totalverrisse. Es scheint (obendrein bei dem Thema) zumindest wert zu sein einen Blick hinein zu werfen. Immerhin will man ja mitreden…

  3. Himmel und Hölle als Mittel um Weichergesottene besser zu beherrschen ist doch der eigentliche Ursprung dieses ganzen Unfugs, oder nicht?

    1. Welchen Unfug meinen Sie damit denn genau? Der Wunsch nach dem ewigen Leben oder der Wunsch allem ein Ende zu bereiten oder…?

  4. Interessanter Artikel. Das ewige Leben erscheint mir allerdings ähnlich unangenehm wie das Masturbieren mit der Aubergine.

    1. Kommt „Masturbieren mit Aubergine“ denn auch als Eigentötungsmöglichkeit in Betracht? Oder nur als Titel für ein neues Helge Schneider Album?

  5. Das kommt auf Helge Schneiders Auswahl an (immerhin hat er sechs Kinder von vier Frauen – nicht umgekehrt) und darauf, wie zubereitet die Aubergine wo hineingesteckt wird.
    Mehr zu solchen Fragen in meinem nächsten fertigen Beitrag.

  6. Sehr interessante Lektüre! Die Lebens-Reise (hin zum Tod) statt Reise-Leben in Italien…
    Sich die Vorstellung vom Verwelken aneignen — das könnte die Rettung sein, wäre da nicht das stolz erigierte menschliche Bewusstsein….
    Dennoch: Ich wünsche Ihnen noch viele Reisen nach Italien mit entsprechenden Berichten für Lebens- und Lesehungrige!
    Dora Stein

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