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Gereimtes und Ungereimtes

ANGRIFF

Plötzlich ist sie da,
in eisiges Dunkel geschüttet.
Magre Vernunft welkt dahin.
Fahl blitzen Irrlichter.
Blind
hastet der Schatten der Hand
in sich gepreßt,
ängstlich geduckt.
Schweiß kocht.
Die Gegenstände höhnen.
Aufzufliegen scheint plötzlich die Tür.
Die Decke bebt.
Vorhänge blähen sich,
und Traumgestalten winseln,
kauern sich zitternd,
packen dich – 
Licht!

Vorbei!

Du lächelst verächtlich.
„Quatsch!“

Wieder Dunkel,
dein Kopf sinkt ins Kissen zurück.
Lauernde Leere.
Alles Unfug!
Lauernde Leere.
Ach wo!
Ruhe, Müdigkeit, Schlaf.
Plötzlich ein Knarren.
Du zuckst zusammen,
zerschreckt.
Das Bett tanzt,
ganz leicht nur.
Bald schneller,
schneller, noch schneller,
wild wirbelt der Ausgestoßne davon,
rast tief in Urzeiten der Menschheit hinab,
mystisches Grauen mengt sich,
keuchend röchelt der Atem,
verschlungen von Unermesslichkeit,
wahnsinnig wütende Fahrt:
noch schneller, immer schneller, immer schneller!
Irres Gestammel peitscht dich.
Doch dabei festgeklebt an einem Fleck,
gefesselt, angeschmiedet,
reglos in schwindelnder Erstarrung,
tote Geschwindigkeit hetzt:
steif,
stumm,
eisig,
erschöpft –
da ein Ruck,
du springst aus dem Bett,
stürzt zum Schalter,

Licht!

Helligkeit strömt,
die Gegenstände erwachen
zu alter, klarer Nüchternheit,
unwillig, verschlafen:
„Was ist los?“
Du atmest schwach,
auch müde.
Ein Schluck Wasser,
ein Blick in den Spiegel.

Morgen bist du beim Zahnarzt.
Ach ja!
Morgen …
Tröstlicher Gedanke.

Jetzt wieder ins Bett zurück,
es wird dich wärmen,
du klapperst ja.
Ein scheuer Blick über die Schulter.
Richtig albern!
Beim Morgengrauen wirst du es nicht mehr verstehen.
Du löschst das Licht,
stolperst zum Bett,
du schwankst,
wankst –
Angst!

Foto: Fernando Gregory | FOTOKITA/Shutterstock

26 Kommentare zu “ANGRIFF

  1. Das ist genau der Grund warum ich mir keine Horrorfilme anschauen kann. Schlaflose Nächte und ein Zusammenzucken bei jedem Geräusch.

  2. Angriff auf den Schönheitsschlaf. In der Tat ein Albtraum. Es gibt nichts schlimmeres als nicht einschlafen zu können…

      1. Also inhaltlich trifft’s nett vielleicht nicht. Sonst schon. Nett wird als Kompliment meiner Meinung nach aber auch unterbewertet 😉

    1. So ist es. Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt. Da muss man halt auch schon einmal durch den ein oder anderen nächtlichen Schreck. Besser so als phantasielos.

      1. … das sagt sich leichter beim Mittagessen als beim Nachtbibbern. Nachts ist das W i s s e n „Es wird vorbeigehen.“ tröstlicher als die Freude über die eigene P h a n t a s i e.

  3. Ich schaue gerade den Eurovision Song Contest im Fernsehen und so wie es ausschaut werde ich wohl auch schlaflose Nächte oder zumindest den ein oder anderen Albtraum haben. Was für eine schlimme Show.

    1. Anscheinend hat Holland gewonnen, was war das nochmal für ein Song? Hat jedenfalls weniger Eindruck hinterlassen als der ANGRIFF 😉

      1. Die Show aus Tel Aviv war allenfalls unerheblich, bis auf das Ausmaß an fröhlicher Geldverschwendung. Als Nightmare-tauglich erwies sich nur die abgetakelte Madonna mit ihrer gregorianischen Plattenwerbung. Die alternde Ciccone macht Disneys Schneewittchen-Hexe (der Schrecken meiner Kindheit) inzwischen ernshafte Konkurrenz.

      2. Dass Madonna nach über 30 Jahren Karriere immer noch (irgendwie) aktuell und gefragt ist, muss man ihr wahnsinnig hoch anrechnen. Wie angestrengt sie beim gestrigen Auftritt aussah ist eher traurig. Das eigentliche Schlimme ist aber doch, dass der ESC ausdrücklich NICHT politisch sein will. Und dann lädt man eben Madonna ein und ärgert sich später, dass ihre Tänzer die Israelischen und Palästinensischen Flaggen tragen. Große Idiotie.

      3. Solch eine internationale Großveranstaltung in Israel kann ja nur politisch sein. Da hätte man sich tatsächlich drauf einstellen können.

      4. Bleibenden Eindruck hat ja in den letzten Jahren eh kaum ein Lied hinterlassen. Ist wahrscheinlich auch gar nicht das Ziel der Sendung. Bischen Unterhaltung, fertig.

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