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Gereimtes und Ungereimtes

Sommerschwalben

Foto: First Flight/Adobe Stock

In ihren nicht sehr runden Kreisen
wurde viel gelacht,
Kaviar und Curry-Wurst waren die Speisen,
alles, was Spaß macht, wurde gemacht,
und manchmal wurde auch nachgedacht.

In ihren ziemlich schrägen Kreisen
wurde viel geflucht.
Alle wollten alles: Leben! Und Reisen!
Die meisten war’n arm,
doch einige waren auch betucht.

Der Herbst war nicht mehr warm,
das Jahr verlor den Charme,
die beiden machten nicht mehr auf ‚verrucht‘.

Man kannte sie, man nannte sie:
‚Brigitte Brust‘ und ‚Gabriele Hintern‘;
sie wollten auf Sankt Pauli überwintern.
Sankt Pauli war schon ausgebucht,
da haben sie sich umgeguckt,
ein bisschen Extasy geschluckt
und woanders was gesucht.
Von Dezember bis April
schliefen sie und waren still.

Dann sind sie wieder aufgewacht
Und haben gleich Rabatz gemacht.

Sie sind durch alle Lokale gezogen
und haben die Männer angelogen:
Eine Villa am Süllberg, ein Haus in Paris,
sie täten mal das, sie täten mal dies,
sie wären mal hier, sie wären mal dort –
keiner glaubte ihnen ein Wort.
Mal schliefen sie nobel und mal im Gras,
und immer hatten sie tierisch Spaß.

Aber in einer Novembernacht
hat sich die Gabi umgebracht,
eigentlich ziemlich ohne Grund,
falls man einen braucht.
Am Morgen lag sie da mit offnem Mund.

Die Gitte hat nochmal geraucht,
ihr Brötchen in die Milch getaucht,
mit Kaffee nachgespült,
in ihrem Plastiksack gewühlt,
ohne zu suchen, ohne zu finden:
Versteckspiel unter Blinden.

Foto: Olaf Naami/Shutterstock

In Barmbek war noch etwas frei.
Da ging sie schlafen bis zum Mai.

18 Kommentare zu “Sommerschwalben

    1. Die beobachtete Realität ist in der Regel ja schlimmer als jede erfundene Geschichte. Man braucht nur morgens in die Zeitung schauen. Hat nicht gerade eine Mutter ihren neunjährigen Sohn zum Missbrauch angeboten? Urrrgh

    2. Man will tatsächlich nicht in die Nachrichten schauen. Aber man muss ja einfach. Je besser unsere Welt vernetzt ist, umso mehr versteht man, wie kaputt die Gesellschaft an vielen Stellen ist.

  1. Eine kleine Auswahl der heutigen aufmunternden Schlagzeilen:
    – Rassismus-Eklat: Mit Tränen in den Augen zerlegt CNN-Moderator Trumps „Dreckslöcher“-Aussage
    – Zwölfjähriger bastelte Bombengürtel
    – Jugendamt betreute für Sex verkauften Jungen seit Jahren
    – Münchner Polizist soll bei G20-Gipfel Kollegen angegriffen haben
    – Das Netzwerk der Salafisten in NRW
    – Chinas unersättliche Gier nach Rohstoffen ist riskant
    – Der Sozialstaat-Wahn wird zum Risiko für das ganze Land
    – Zahl der Organspender sinkt auf historisches Tief
    – Hygiene: Jeder Dritte zieht sich die alte Unterhose wieder an

    1. Die täglichen Schlagzeilen sind wirklich nicht immer ermunternd. Das ist heutzutage so, das war aber auch noch nie anders. Frau Lodeau hat natürlich recht, dass man in Zeiten des Internets viel mehr Informationen bekommen kann als früher. Natürlich auch Informationen über schreckliche Dinge. Man kann nur weiterhin sein Bestes tun und anständig mit seinen Mitmenschen umgehen. So gut es halt eben geht.

    2. …und das ist schon schwer genug. Am Ende liegt doch wieder jemand „da mit offnem Mund“. So ist das Leben.

  2. …manchmal wurde auch nachgedacht. Nachdenken sollten wir wohl tatsächlich öfters. Hanno Rinke’s Blog hilft dabei ab und an. Vielen Dank dafür.

    1. Auch wenn es thematisch gar nicht wirklich passt, ich musste sofort hieran denken:
      Es grünte allenthalben.
      Der Frühling wurde wach.
      Bald flogen auch die Schwalben
      Hell zwitschernd um das Dach.

      Sie sangen unermüdlich
      Und bauten außerdem
      Am Giebel rund und niedlich
      Ihr Nest aus feuchtem Lehm.

      Und als sie eine Woche
      Sich redlich abgequält,
      Hat nur am Eingangsloche
      Ein Stückchen noch gefehlt.

      Da nahm der Spatz, der Schlingel,
      Die Wohnung in Besitz.
      Jetzt hängt ein Strohgeklüngel
      Hervor aus ihrem Schlitz.

      Nicht schön ist dies Gebahren
      Und wenig ehrenwert
      Von einem, der seit Jahren
      Mit Menschen viel verkehrt.

  3. Wilhelm Busch ist eine ehrenwerte Assoziation für mich. So lapidar wie er kann man es kaum sagen: „Jedes legt noch schnell ein Ei, und dann kommt der Tod herbei“, wobei es sich beim Hahnenei natürlich um eine etwas dünnere Ausscheidung handelt.

    1. Ganz genau. Bereits Albert Einstein wusste: „Wilhelm Busch, insbesondere der Schriftsteller Busch, ist einer der größten Meister stilistischer Treffsicherheit.“

    2. Ahhh Busch! Einer meiner Liebsten! Hier ist einer der vielen Gründe:
      „Obgleich die Welt ja, so zu sagen,
      Wohl manchmal etwas mangelhaft,
      Wird sie doch in den nächsten Tagen
      Vermutlich noch nicht abgeschafft.

      So lange Herz und Auge offen,
      Um sich am Schönen zu erfreun,
      So lange, darf man freudig hoffen,
      Wird auch die Welt vorhanden sein.“

  4. Ich mag die Gedichte sehr, und trotzdem warte ich sehnsüchtig (naja fast sehnsüchtig) auf den nächsten Reisebericht Herr Rinke! 😉

    1. Ihne Worte spornen mich an, Frau Buchmann. Der ersteText sollte heute Abend fertig sein, am Wochenende fange ich mit den Bildern an. Am Freitag nächster Woche geht es wohl los.

    2. Nachdem es in München mittlerweile eine Stage Entertainment Musical-Großproduktion von Fack Ju Göhte gibt, muss man wohl mit genügend Poesie dagegenhalten…

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