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Wahnsinn

Mein Sohn?

Foto links: ivonne leuchs/Adobe Stock | Foto rechts: FPM-BERLIN/Adobe Stock

Morjens um halb siebn jeh ick rinne bei dem. Erst ma reiß ick dem die Bettdecke wech, und dann zieh ick ihm orndlich bei die Haare. Da wird der noch am ehesten munter. Anders spurn die ja heut nich mehr. Ick bin ebend „alleinerziehend“, wie man so schön saacht.

Meene Jattin is vor dree Monaten von n Balkon jesprungn. Wir wohn bloß üm ersten Stock, richtich, aber ett war Jlatteis uff die Straße, die Olle rutscht aus und – Jenickbruch: Feierabend. Gab ja ooch ne richtije Untersuchung damals, aber ick wurd freijesprochn, „Mangel an Beweise“, hieß ett. Klingt doch jut, wa?

Wenn meen Nachwuchs zu spät zum Frühstück erscheint, also nee, nich mit mir! Da jibt ett pro Minute eene schallende Ohrfeije, für die muss er sich immer jleich bedankn. Ick kann saarn, ick bin echt een fürsorglicher Vater, da gibt ett nüscht, aber wenn der nich freundlich „Juten Morjen“ jrüßt, dann wart ick erst ma ab, bis der sitzt, und dann stoß ick seen Jesichte mit Karacho mank die heiße Suppe. Haferflockn. Manchet Mal muss der danach direkt dett Hemde wechseln, ick kann ihn ja nich verdreckt vor die Türe lassn, obwohl, is ja wegn dem seene eijene Schuld. In letzter Zeit jibt et aba keen Ärja mehr, dett muss ick saarn. Er strahlt mir jleich an, wenn der in die Türe steht, wie so’n Honichkuchenferd, na ja, wirkt n bissken uffjesetzt, aber dett kommt schon noch.

Nach seene Penne jibt ett erst ma ’ne saftije Tracht Prüjel, profülaktisch, wa? Der wird schon wüssn, warum. Stellt ja doch ümmer ürjendwatt an. Jegenstände wie Handys und Uhren, die er Opfern abzieht, die nehm ick ihm sofort wech. Ick wart aba erst mal ’n paar Taaje ab, bis ick die Sore vakloppn tu. Ick kenn da een Händler, der is schwer in Ordnung, is der. Diese Klamotten, Designer-T-Shirts und so, dett darf der Kleene behalten, passt mir ja sowieso nich, ick bin etwas korpulent jewordn, kann am Bier liejen, viere, fümve von die Dosen hab ick meest schon intus, wenn der mittags eintrudelt. Ick mach dann ümma Spiegeleia mit Speck und Bratskartoffeln, dett schmeckt uns, und man kann et allet in eene Pfanne reinhaun. Praktisch, wa?

Foto links: ExQuisine/Adobe Stock

Sonntags jehnwa bei McDonalds. Der Lütte nimmt immer bloß Majo bei seine Pommes, ick nehm natürlich ooch Ketchup. Wie oft hab ick dem jesacht: „Junge, mit Ketchup schmeckt der Burger doch viel geiler.“ – „Nein, danke“, sagt er bloß so jeziert. Kriecht natürlich jleich eene von mir jelangt. Manchmal komm mir dann Leute vom Tisch nebenan blöd, die brüll ick aba janz schön zusamm. Weiß selbst, wie ick mein Rotzlöffel zu erziehn hab. Neulich hat sich mal eener dermaßn uffjeplustert, dem musst ick jlatt die Fresse poliern. Seither ham wir Hausverbot und jehn dree Straßen weiter bei Burger King. Schmeckt mir da jenauso jut, aber Bier aus’m Pappbecher, dett is irjendwie nich so meins. Die Currywurscht bei Nick is ooch okay, aber mit Junior lass ick mir da nich blickn. Die Assis, die bei Nicks Bude abhängn, die bringn dem noch uff dumme Jedankn. Der is ja noch nich richtich jefestigt, möcht ick mal saarn.

Den Nachmittag muss Sohnemann Schularbeitn machn. Die Pauka jebn immer zu wenich uff, da lern die Kids nich jenuch. Ick lass ihn allet doppelt machn und kontrollier dann. Von den Kram selba versteh ick ja nich ville, ick achte nur uff der Schrift und machmal jibt et ooch Zeichnungn. Wenn die nich pico bello sind, dann tauch ick sein Kopf eene Minute lang unter Wasser. Ick kuck immer uff’n Sekundenzeija: jenau eene Minute. Hab ick mal in een Film jesehn, hat mir mächtich imponiert. Letzte Zeit sind seene Sachn aber immer „astrein“, dett muss ick saarn. Dett er trotzdem manchet Mal mit schlechte Noten kommt, dett liecht wohl an die Lehrers. Denen is die Schrift ja heutzutaare völlich jleich, die kümmern sich bloß um n Inhalt. „Inhalt“. So jeht natürlich allet n Bach runta. Ick lass mir täglich alle seene Hefte zeijen, und wenn der schlechte Noten hat, dann jeht ett um sechse ohne Abensbrot ab in die Heia, dett soll dem ne Lehre sein. Sonst sind wir am Abend imma jemütlich zusamm. Weggehn darf er bloß mal an‘n Sonnamt, bis fünfe höchstens. Wehe der kommt zu spät, dann setzt ett aber watt, mein Lieba!

Wir kaufn immer dieses Dosenfleisch vom Discount, sehr lecker, manchmal ess ick jleich zwee Dosen, eene nach die andre, dazu saure Jurken und n orntlichet Mischbrot. Der Junge isst viel zu wenig, dett wurmt mir dermaßn. Ick kann dann so wütend werdn, manchmal hau ick ihm direkt den Teller voll in der Schnauze, vielleicht bissken krass, aba so bin ick halt. „Mensch“, saach ick, „du muss doch essn. Aus dir soll doch mal wat werdn.“ Er wüscht sich dett Zeuch aus sein Jesichte und meint: „Der Schularzt sagt, ich sei übergewichtig.“ Was soll man da machn? Manchmal reiert er mir den janzen Scheiß übern Küchentisch. Is zwar bloß Plastik, aber trotzdem ne fiese Sauerei, echt die Härte. Er kommt dann nich eher innt Bett, als bis er allet sauba jeleckt hat. Man kann dem Bengel ja auch nich allet durchjehn lassn.

Nee, leicht is ett nich mit so n Dreikäsehoch. Aber ick jeb ma Mühe: Wenn der bockig is, kriejt er eins mit m Rohrstock überjebratn, den hab ick noch von mein Opa damals. Der wusste ooch, wie man die Jören zur Räson bringt: mit Dresche, sonst läuft da nüscht! Jeden Sonnabnd muss er lauf’n, Sport is wichtich: einmal um janz Marzahn-Hellersdorf, dett sind sieben Kilometa. Ick fahr mit m Fahrrad nebenher, und wenn der nich spurt, dann gibt ett Senge, aber orndlich. Na ja, hält mir ganz schön uff Trab, der Kurze. Aba macht ooch Laune.

Ab sechse sitzn wir zwee beede vor die Jlotze, dett ist richtich nett irjendwie, Katoffelschipps und so. Meene Frau früha, die hat imma dazwischenjequatscht. Wie oft musst ick der eene klebn! Na, und dann war die jleich beleidicht und is ab inne Schlafstube. Hat die Frau jenervt! Dett klingt jetzte vielleicht hart, aber richtich vermissn tu ick der nich. Hat imma bloß rumjelabert, nich auszuhalten. Und sexuell: ach, du liebe Scheiße! Fernsehn is ja nich allet. Die janze Werbung is eh für‘n Arsch. Koofen kann man sich des meeste ja doch nich, und watt soll ick überhaupt mit Schauma Color uff meene Jlatze? Weiberkram. Außer RTL2 und manchmal Sat1 bringn die fast nur Jesülze, dett keena braucht. Aber watt soll ett? Fernsehjebühren muss ick ja nich zahln, ick bin Hartz IV, „langzeitarbeitslos“, aba aus mein Sohn, da wird mal watt richtich Jroßet. Vielleicht kommt der ja sogar in n Big-Brother-Container. Der kann jetz schon alle diese Hits von „Deutschland sucht den Superstar“ mitsingn. Aus dem wird mal watt, dafür sorj ick schon, hab ja sonst nüscht weita. Aber ick will Ihnen nu nich länga uffhaltn, Sie müssn sicher weiter, in andere Wohnungen, und bei die Familien nachhakn, wo ett nich so jesittet zujeht wie bei uns. Is bestimmt ’n harter Job da uff ett Sozialamt. Also, hat mir sehr jefreut, und tschüß ooch.

Foto links: FPM-BERLIN/Adobe Stock | Foto rechts: Increa/Adobe Stock

Foto: daskleineatelier/Adobe Stock | Titelbild (v. l. n. r.): ivonne leuchs/Adobe Stock | Photosiber/Shutterstock | FPM-BERLIN/Adobe Stock | daskleineatelier/Adobe Stock

1 Kommentar zu “Mein Sohn?

  1. Sozialarbeiter können von Begegnungen dieser Art sicherlich eine Vielzahl von Liedern aus „Deutschland sucht den Superstar“ singen.
    Sprachlos bleiben eigentlich nur die terrorisierten Kinder, die als Aggressionspuffer für das eigene Versagen herhalten müssen.

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