Teilen:

1602
Sonntagspredigten

Werte

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Ein 100-Euro-Schein ist nichts wert. Es sei denn, man meint nicht das Papier, sondern glaubt dem Aufdruck. In kaum einem anderen Land lieben die Menschen das Bargeld so innig wie in Deutschland. Es kommt uns realer vor als eine Kreditkarte oder eine Überweisung. „Wer das Bargeld abschafft, schafft die Freiheit ab“, hat Enzensberger verkündet. Aber auch die Schattenwirtschaft, der Drogenhandel, die Geldwäsche würden empfindlich getroffen. Seit einiger Zeit höre ich Politikerinnen und Journalisten permanent sagen, man müsse ‚Geld in die Hand nehmen‘, wenn es darum geht, Brückenpfeiler oder Bundeswehrbestände zu sanieren. Das soll wohl bildmächtig wirken. Dabei macht sich in Wirklichkeit keine Verantwortliche und kein Ausführender die Hände dreckig beim Beschaffen der ‚Kohle‘. Ich mir auch nicht, nicht mal beim Ausgeben. Ich gehe nur noch wenig aus dem Haus, eher fahre ich, meistens ganz ohne Bares, bis auf einen Notgroschen, falls ich im Lokal das Trinkgeld nicht ins Kartenlesegerät eingeben kann.

Früher war das, wie fast alles, anders. Es gab Taler, Groschen, Kreuzer, Gulden. Wenn es ans Zahlen ging, mussten die Zecher dem Wirt oder der Frau Wirtin die Münze mit dem eingravierten Kopf nach unten auf den Tisch legen. Das Porträt des Landesherrn blickte auf nichts als Holz, aber oben sahen die Wirtsleute eine Zahl und dann wussten sie, was das Geldstück wert war. So haute man sein Geld auf den Kopf, damals, und daher stammt dieser Ausdruck. Windige Herrscher ließen manchmal billigeres Metall als Gold und Silber unter die Dukaten mischen und beeinflussten dadurch die Kaufkraft. ‚Münzverschlechterung‘ nannte sich das. Inzwischen sind wir beim ganz Abstrakten gelandet, beim Bitcoin.

Goldbarren sind im Gegensatz zum Papier aus der Druckerpresse und zum digitalen Versprechen der Kryptowährung schon für sich genommen etwas wert: Sie sind raffiniertes Metall. König Midas, dem Dionysos seinen Wunsch erfüllte, dass alles, was er berührte, zu Gold würde, konnte nun nichts mehr essen und trinken und hatte Gold in der Kehle. Das war weniger raffiniert als blöd, hat Midas aber einen Platz im Weltgedächtnis gesichert: Unsterblichkeit ist mehr wert als Gold.

Zivilisationsverächter machen gern darauf aufmerksam, dass ihre Kontrahenten nach dem Fällen des letzten Apfelbaumes erst bemerken würden, dass man Geld nicht essen kann. Dass man ohne Geld allerdings auch nichts zu essen bekommt, es sei denn, jemand anderes hat es bezahlt, das leuchtet auch denen ein, die schon mal einen Apfel in Nachbars Garten geklaut haben und das Wort ‚Mundraub‘ kennen.

Auch der Wert des Goldes schwankt. Meine Faustregel: Je schlimmer die Lage, desto höher der Goldpreis. Wie gerade wieder. Bereits Fausts vierzehnjähriges Gretchen bemerkte altklug: „Nach Golde drängt, / Am Golde hängt / Doch alles!“, und ihr Autor, der damals vom ‚Fack ju‘ der Pennäler-Filme noch verschonte, wohlhabende Geheimrat Goethe, lässt sie sinnend hinzufügen: „Ach wir Armen!“

Aber ich will unseren erlauchtesten Dichter nicht durch den Kakao ziehen. Käme mich teuer zu stehen bei den Resten des Bildungsbürgertums: Kakao erzielt an der Rohwarenbörse ICE in New York so hohe Preise wie seit fünfzig Jahren nicht. Der Klimawandel hat die Ernten dezimiert. Jetzt wird die Tafel Schokolade kostbarer, also zumindest preisintensiver. Angebot und Nachfrage. Schon Bismarck wusste, dass der Hering so wertvoll wie der Lachs wäre, wenn er weniger häufig vorkäme. Inzwischen sind wir ja fast so weit.

Objektive Werte gibt es nicht, nur materielle und immaterielle. Auf den Wert eines Autos können sich viele einigen, den Wert eines Liebesbriefes kennt nur der Empfänger, es sei denn, er ist von Goethe und erzielt Höchstpreise auf Auktionen. Wer sich hässlich findet, kann mit einiger Chuzpe auf seine inneren Werte verweisen. Deren Problem ist, dass ein im Fitnessstudio gestählter Arsch nun mal geiler macht als ein mitfühlendes Herz. Wer aber mit Geistigem zufrieden ist, der kommt mit der Anpreisung seiner schönen Seele möglicherweise gut zurecht. Wer sich nicht mal die zutraut, der versucht es mit einer Rolex oder einem glaubwürdigen Imitat. Jedoch Vorsicht: Die teure Uhr wurde René Benko zum Verhängnis. Jetzt sitzt er im Gefängnis.

Charme und Intelligenz sind auch Werte; und die Frage, was von beiden man lieber haben möchte, ist schwierig zu beantworten, weil es einen Unterschied macht, ob man bloß reich sein möchte oder auch beliebt oder gar fortschrittlich, ob man also Eigenbrötler ist oder gesellig. Intelligenter ist jedenfalls die Antwort ‚Charme‘, schon weil sie charmanter ist.

Ein Parvenü, ein Emporkömmling, kennt nach Meinung der etablierten Eliten von allem den Preis und von nichts den Wert. Das sagt allerdings über die, die das behaupten, genauso viel aus wie über die, denen es unterstellt wird. Wert und Preis haben trotzdem unterschiedliche Maßstäbe, das stimmt schon. Ebenfalls in diese Nachbarschaft gehört das Statement der Cousine meines Freundes Harald, die zum Kuchenessen zu seinen Eltern eingeladen war und beim Anblick des Kaffeeservices verblüfft ausrief: „Tante Ilse!!! Du hast ja Werte …“ – Meissener eben, kunstvoll und teuer. Leonardo da Vincis ‚Salvator mundi‘ wurde 2017 für 450,3 Millionen US-Dollar von Christie’s an Mohammed bin Salman verkauft. Ein großer Kunstexperte wahrscheinlich. Haha. Andy Warhol liegt mit ‚Shot Sage Blue Marilyn‘ und einem Wert (oder Preis?) von 195,04 Millionen Dollar auch nicht schlecht im Rennen. Informierte Neider tröstet, dass Warhol nichts davon hat, weil er tot ist, wenn auch noch nicht so lange wie die Monroe (seit der späten Kennedy-Ära) und da Vinci (seit der späten Renaissance). Solche Verkaufszahlen sind wandelbar, und nach dem Zweiten Weltkrieg ging manch teurer Ring für einen Sack Kartoffeln von einer geflohenen Adligen auf eine sesshafte Bäuerin über.

Dagegen verkörpern Ideologien objektive Werte. Meinen die Ideologen. Das zeichnet Ideologien aus, und das macht sie schwer erträglich für die, die außerhalb dieses Zirkels leben wollen (bei Staatsideologien aber nicht können).

Wer sich wirklich für dieses Thema interessiert, braucht mich natürlich nicht, weil über moralische, ästhetische, religiöse und börsengehandelte Werte mehr geschrieben steht, als man lesen kann – und mag.

Was mich aber beschäftigt: Wie weit haben Blut- und Fettwerte Einfluss auf die geistigen Werte? Meine Stimmung hat bestimmt etwas damit zu tun, welche Hormone, Getränke, Viren in meinem Körper unterwegs sind. Mein Hirn wird ganz sicher durch alles, was da so rumschwirrt, beeinflusst. Hat das auch Auswirkungen auf mein Wertesystem? Ideologen müssen das verneinen, Nightclubber nicht. Wie wertfrei will ich sein in meiner Beurteilung? Wie wertfrei kann ich sein? Fragen, die immer nur die Philosophie betrafen, werden jetzt von der Biochemie neu gestellt. Ein Schwips macht mich vielleicht leichtsinnig, aber wenn ich jemanden anremple, weiß ich hinterher, dass das nicht in Ordnung war. Gibt es aber Wirkstoffe, die so auf mich einwirken, dass sie meine Überzeugungen berühren? Das hätte erhebliche Auswirkungen auf das Zusammenleben und auf die Rechtsprechung. Im Mittelalter versuchten Weltverbesserer die Gesinnung aufsässiger Andersgläubiger mithilfe der Folter zu beeinflussen, vielleicht reicht bald eine Spritze. Jetzt schon?

Bange fragend,
Hanno Rinke

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die
Datenschutzerklärung von YouTube.

Youtube laden

Grafik mit Material der mdv Mitteldeutscher Verlag GmbH

76 Kommentare zu “Werte

  1. Eine interessante Beobachtung, wie sich Werte im Laufe der Zeit verändern – und das nicht nur in monetären Begriffen. Während wir früher mit Münzen hantierten, die ihren eigenen physischen Wert hatten, landen wir heute bei abstrakten Währungen wie Bitcoin. Es zeigt sich, wie relativ der Wert von Dingen ist, abhängig von den Umständen und dem Kontext, in dem wir sie betrachten. Die Frage nach dem Wert von Dingen und Menschen, wie Hanno Rinke so treffend aufwirft, bleibt dabei genauso komplex wie zu Goethes Zeiten. Vielleicht ist es weniger die Frage, ob etwas wertvoll ist, sondern was wir bereit sind, dafür zu bezahlen.

    Man könnte fast sagen, der wahre Wert liegt im Blickwinkel des Betrachters.

      1. Dass der Preis wandelbar ist, ist klar. Dass Werte es auch sein können, wollen Religionsstifter und Ideologen nicht wahrhaben.

    1. Bitcoin bleibt für mich nach wie vor ein Rätsel. Reiche Menschen werden dadurch noch reicher, soviel habe ich verstanden. Ansonsten scheint es mir hauptsächlich etwas zu sein, mit dem sich „Bros“ profilieren können.

      1. Man braucht gute Nerven für Bitcoins und darf auf das Geld nicht angewiesen sein. Ich habe sie in der Anfangsphase vorübergehend ausprobiert. War recht erfolgreich.

      2. Mich schreckt ab, dass alles nur daran hängt, wie z.B. jemand wie Elon (aus reiner Laune heraus) agiert. Als Reaktion schießen die Werte nach oben oder stürzen in den Keller. Das ist mir zu fragil.

      3. Bitcoin ist halt noch einmal eine ganze Nummer abstrakter als die Idee von einem bedruckten Stück Papier oder einer Aktie. Das schreckt viele ab.

      4. ‚Wer nichts wagt, der nichts gewinnt‘, heißt es, und das stimmt auch. Aber das Wagnis muss man sich trauen und sich leisten können. Der Hasadeur und der Angshase stecken in uns allen, oder?

      5. Mut ist wichtig, aber blindes Risiko selten klug. Es kommt halt darauf an, den richtigen Moment zu erkennen – wann Vorsicht nötig ist und wann sich ein Wagnis lohnt. Wer Risiken gut abwägt, kann mutig sein, ohne leichtsinnig zu werden.

      6. Ich finde es erträglicher, eine Niederlage zu erleiden, weil man etwas gewagt hat, als eine Niederlage, weil man untätig war. Das Szenario Taurus zu liefern, und Putin schmeißt keine Atombombe, gefällt mir natürlich besser, als keine Taurus zu liefern, und Putin schmeißt trotzdem.

      7. Trump macht doch gerade mit Putin aus, was mit der Ukraine passieren soll. Mal schauen, wie „mutig“ dieser Plan aussieht.

      8. So misstrauisch ich gegenüber Trump bis: Es ist doch erleichternd zu sehen, dass überhaupt mal etwas passieren kann, was von der Kriegsroutine abweicht.

    2. Ja, das EU-Prinzip, dass das kleine Luxemburg seine eine Stimme hat, genauso wie das bevölkerungsreiche Deutschland, das ist in der Weltpolitik wohl passé. Da muss sich Europa jetzt eine Niesche suchen, von der aus es punkten kann. Taiwan hat es ja mit der Chip-Produktion ziemlich weit gebracht, die Ukraine hat Seltene Erden anzubieten und Dänemark hat Grönland auf dem Schwarzmarkt zu verhökern. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht zum Weinen wäre.

      1. Tja, ob und wie Europa eine strategische Nische findet, bleibt abzuwarten – doch es wird sicher mehr brauchen als Bürokratie und gute Absichten.

      2. Als Disneyland für Chinesen und Amerikaner wird Europa wohl noch eine Weile überleben können..

  2. Hmm, die Erwähnung von Ideologien als „objektiven Werten“ lässt einen nachdenken. Tatsächlich scheint es, dass Werte oft in starren, dogmatischen Systemen gefangen sind. Die Frage ist, wie viel Flexibilität wir uns in der Wahrnehmung von Werten erlauben und ob es überhaupt einen absoluten Maßstab gibt.

      1. Ja genau. Und während früher vor allem die religiöse und gemeinschaftliche Ordnung im Vordergrund stand, werden sie heute eher als ethische Leitlinien, also unabhängig von einem Glaubenskontext betrachtet. Die Frage ist dann nicht, ob sie noch gelten, sondern wie sie in einer sich wandelnden Welt angewendet werden.

      2. Über dieses ‚Wie‘ schlagen sich die unterschiedlichen Parteien leider immer noch die Köpfe ein (nach Möglichkeit: bildlich gesprochen).

      3. Mittlerweile tun sie das tu viert im Wahl-Quadrell. Die FAZ schreibt dazu „die Normalisierung der AfD abgeschlossen“. So ist es wahrscheinlich.

      4. Es ist innerhalb einer Demokratie unmöglich, zwanzig Prozent der Wähler medial auszuschließen. Das ist zwar ärgerlich, aber vom System her geboten. Sonst ist es eben keine echte Demokratie, aber die wollen ja viele auch gar nicht.

      5. Genau deshalb würde auch ein AfD-Verbot keine Rückkehr zur „Normalität“ bedeuten. Da sind eben ~20% der Menschen in Deutschland, die sich aus unterschiedlichen Gründen von der traditionellen Politik im Stich gelassen fühlen. Das muss man einsehen und Lösungen dafür suchen.

      6. Der Drang, die Demokratie anders auszulegen, herrscht sowohl bei der AfD wie bei ihren Gegnern, und darum werfen sie sich undemokratisches Verhalten auch gegenseitig vor.

  3. Dass unser Körper – die Hormone, die wir ausstoßen, die Getränke, die wir konsumieren – Einfluss auf unsere Werte und Überzeugungen hat, na ja, ich verneine da auch eher.

    1. Dafür haben unsere Werte und Überzeugungen aber auf jeden Fall einen Einfluss darauf, welche Getränke wir unserem Körper gönnen.

    2. Ich habe ChatGPT befragt und folgende Antwort bekommen:
      Unsere hormonelle Balance beeinflusst unser Wertesystem, indem sie bestimmt, wie wir Situationen wahrnehmen, wie empathisch oder risikobereit wir sind und ob wir kurzfristige oder langfristige Konsequenzen in moralischen Entscheidungen stärker gewichten. Während unser Wertesystem nicht ausschließlich durch Hormone bestimmt wird, sind sie ein wichtiger biologischer Faktor, der unsere moralischen und ethischen Urteile mitsteuert.
      Und bei den Getränken glaube ich: Wer besoffen ist, dem verschwimmen die Werte vorübergehend.

      1. In dem Fall glaubt man vielleicht lieber an den Kapitalismus als an die Kirche 😉

      2. Wenn überhaupt sollte man sich vielleicht auf die Religion selbst konzentrieren. Die Kirche als Institution ist doch nicht mehr wirklich zu retten.

      3. Das habe ich auch heute Morgen gelesen. Es tauchten die ersten Meldungen in meinem Newsfeed auf, die thematisierten, wie die Nachfolge geregelt wird. Wer neulich Konklave im Kino gesehen hat, ist ja eh schon recht gut informiert.

      4. Warum ist er nicht schon längst zurückgetreten? Der Mann ist 88 Jahre alt. Hatte er nicht versprochen rechtzeitig abzutreten?

      5. Heute gab es einen Artikel mit den Top 10 Kandidaten für die Nachfolge. Bei den meisten davon gruselt es mich.

      6. Päpste finden es im Allgemeinen unsprortlich abzudanken, bevor Gott – hoffentlich er! – ihre Seele holen kommt.
        Der Austritt aus der Alleinseligmachenden hat meinem Grusel ein Ende gesetzt.

  4. Yay, ich bin begeistert – endlich weiß ich, warum ich mein Geld immer auf den Kopf haue! Leider merkt man beim digitalen Bezahlen nicht mehr, ob der Landesherr nach unten oder oben schaut. Und Gold als Notlösung? Midas hat gezeigt, dass das keine so glänzende Idee ist. Bleibt also nur die Frage: Kann ich mein Wertesystem eigentlich in Bitcoin anlegen oder schwankt das auch je nach Tagesform meiner Blutwerte? 🤔

    1. Also ich höre immer wieder von Freunden, dass sie das Bargeld vermissen und keinen Überblick über ihre Finanzen haben. Ich verstehe beides nicht. Ich sehe auf meinem Kontoauszug (mittlerweile per Banking App auf dem Handy) jederzeit wieviel Geld ich auf dem Konto habe, welche Beträge vorgemerkt bzw. bereits abgebucht sind. Zudem brauche ich kaum noch meine Portemonnaie, sondern kann fast überall bargeldlos zahlen und bin daher „leichter“ unterwegs. Wo liegt das Problem?

      1. Geld kann man anfassen, das Geld auf dem Konto oder digitale Währungen nicht. Ich glaube so einfach ist das, auch wenn ich das Gefühl selbst nicht teile.

      2. Womöglich eine Altersfrage. Ich bin noch im Urlaub mit Traveller-Cheques durch Europa gereist und habe beruflich ständig Lire, Francs, Schilling, Pfund und Gulden wechseln müssen. Die (ziemlich) einheitliche Währung und die Kartenzahlung finde ich im unterwegs mindestens so hilfreich wie die Geschirrspülmaschine Zuhause.

      3. Mittlerweile braucht man selbst bei Überseereisen nicht mehr wirklich Geld zu wechseln. Ich finde das auch äußerst praktisch.

      4. Reisen ohne Postkutsche, Zollschranken und eine neue Zahlungsart alle paar Meilen ist sicher erfreulicher, als es das zu Goethes Zeiten war. (Vom Bad mit WC im Hotel auch nicht zu schweigen.)

      5. Wirklich? In den Nachrichten sieht man doch dauernd Demos, und alle Veranstaltungen von Politikern, Musikern, Sportlern und Comedians sind gut besucht.

      6. Wahrscheinlich war damit die Außenpolitik weltweit gemeint. Aber Touristen sind ja selbst in Ungarn oder trotz der groß angelegten Deportationsplänen in den USA noch gern gesehen.

      7. Wer mit Geld kommt und es vor Ort ausgibt, ist in fast jedem Land der Welt willkommen. Fremdenfeindlichkeit ist zum größten Teil Armutsfeindlichkeit.

      8. Stimmt oft – wer Geld mitbringt, wird eher willkommen geheißen. Aber Fremdenfeindlichkeit ist mehr als nur Armutsfeindlichkeit. Antisemitismus etwa richtet sich oft gerade gegen wohlhabende Jüd:innen, und Palästinenserfeindlichkeit trifft auch reiche Palästinenser:innen. Es geht also nicht nur ums Geld, sondern auch um tief verwurzelte Vorurteile, Abgrenzung und Machtverhältnisse.

      9. Ist das nun religiöse oder rassistische Voreingenommenheit? Hat leider beides im Laufe der Jahrhunderte großen Schaden angerichtet. Einen Gott kann es ja nach Meinung vieler durchaus geben. Eine Rasse lässt sich im Blut nicht nachweisen. Das ist sicher.

      10. Letztlich geht es ja immer um Macht und um Mechanismen der Ausgrenzung und Hierarchien, die bestimmte Gruppen systematisch benachteiligen oder stigmatisieren.

      11. Sich als Gemeinschaft anderen überlegen zu fühlen, ist ein erhebendes Gefühl, das von Anführern gern genutzt wird, um die Gruppe zusammenzuschweißen und die eigene Position zu festigen: America oder Borussia Dortmund oder Kleinkleckersdorf first!

    1. Beides hängt allerdings unter Umständen zusammen. Bricht die Wirtschaft ein, wird auch die Schokolade teurer.

      1. Wenn’s nur die Schokolade wäre … Marzipan und Arbeitsplätze sind leider auch betroffen.

      1. Genügend Schweiz sollte man immer im Portfolio haben, wobei natürlich Lindt und Nestlé besser schmecken als bittere Medizin von Roche. Aber wer kaut schon rum auf seinen Aktien?

      2. Nestlé schafft es immerhin trotz schlechter Börsenwerte zu den beleibtesten Schweizer Aktien zu gehören. Wahrscheinlich ist das tatsächlich nur die Schokolade schuld.

    1. Ich habe die – vermessene? – Hoffnung, dass in unserem Sozialstaat für jeden eine warme Mahlzeit möglich sein müsste. Bei der Kunst bin ich Banause. Ein Druck tut es auch.

      1. Solange der entsprechende Künstler an dem Druck auch etwas verdient, geht das ja in Ordnung.

      2. Im Bereich der Kunst ist das Wertesystem nicht leichter zu verstehen als die menschliche Seele.

      3. Eine warme Mahlzeit kann sich leider nicht jeder immer leisten, aber gottseidank gibt es gute Organisationen, die das ausgleichen: lt Statista gab es 2022 2 Mio. Kunden bei der Tafel – ein Rekord!

      4. Ein trauriger, dennoch Mut machender Rekord. Das meinte ich damit, dass ‚jeder eine warme Mahlzeit‘ bekommen soll, auch, wenn er sie sich nicht leisten kann.

  5. Die Vorstellung, dass Werte durch biochemische Prozesse beeinflussbar sind, finde ich beunruhigend – und zugleich plausibel. Unsere Moral, unser Urteilsvermögen, unsere Überzeugungen: alles nur eine Frage der richtigen Hormoncocktails? Wenn dem so ist, müsste man das Strafrecht, politische Ideologien und sogar persönliche Beziehungen ganz neu denken. Vielleicht gibt es ja längst Wirkstoffe, die subtil unsere Wahrnehmung steuern, und wir halten unsere Überzeugungen für objektiv, obwohl sie chemisch modifiziert sind. Die eigentliche Frage ist also nicht, ob Werte schwanken, sondern ob sie überhaupt noch „unsere“ sind.

      1. Genau das, was Klaus Wolff schreibt, habe ich ja in meinem letzten Absatz zur Diskussion gestellt. Mit Verschwörung hat das überhaupt nichts zu tun, sondern mit Biochemie, ein Fach, das an allen bedeutenden Universitäten in Deutschland gelehrt wird.

  6. Ja, Der Wert liegt nicht in dem, was wir besitzen, sondern in dem, was wir glauben. Ein Geldschein ist nur so viel wert, wie wir ihm zutrauen – das Gleiche gilt aber auch für Kunst, Statussymbole, Beziehungen und viele andere Sachen.

    1. Ah, dann stellt sich aber die Frage: Sind Werte also eher eine kollektive Illusion oder eine individuelle Entscheidung?

      1. Ein Auto hat gegenüber einer Kutsche den praktischen Wert, dass man schneller vorwärtskommt. Ein liebevoll gepflegter Oldtimer hat zusätzlich einen idellen Wert. Welchen Preis er beim Verkauf dadurch erzielt, ist dann aber wieder das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage.

Schreiben Sie einen Kommentar!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

12 − 2 =