1. Kapitel: DER VATER
Praxis ohne Theorie | #6
In einer geringen Entfernung von mir rang Claudia mit einem Mann. Sie wehrte sich oder er wehrte sich, aber beide gaben keinen Laut von sich. Sie schrie nicht um Hilfe, und ich hatte das Gefühl, sie versuchte auch gar nicht, davonzulaufen.
weiterlesenPraxis ohne Theorie | #5
Meine Haushälterin klopfte an die Tür: „Das Abendessen ist fertig.“ Ich versuchte verwirrt, die Zeiger meiner Uhr im Dunkeln zu erkennen. „Ist Claudia denn da?“ „Aber ja! Seit einer Stunde schon! Sie hat sich wohl etwas hingelegt.“
weiterlesenPraxis ohne Theorie | #4
Von Minute zu Minute wurde ich unruhiger. Ich quälte mich mit sinnlosen Vorwürfen und malte mir Claudias Zustand in den schrecklichsten Farben aus. Wie unter einem Zwang irrte ich durch das Zimmer, aufgerieben zwischen den stummen Wänden und meinem dröhnenden Kopf. Jedes Mal, wenn ein Geräusch von der Straße hineindrang, sprang ich atemlos ans Fenster.
weiterlesenPraxis ohne Theorie | #3
Erschöpft ließ er die Hände sinken. Sein Gesicht war grau und schweißbedeckt. Ein Zittern schüttelte seinen ausgehungerten Körper. „Verstehen Sie mich?“, fragte er erschöpft. Ich sah ihn an, versteinert. Solch ein Ausbruch! Fast empfand ich Mitleid mit ihm. Mitleid? Oder war es doch eine düstere Art von Bewunderung? Bewunderung für die Endgültigkeit seiner Entscheidung. Eine Entscheidung, die zu treffen ich nicht schwach genug war. Er griff nach mir und packte mich am Handgelenk.
weiterlesenPraxis ohne Theorie | #2
Endlich schnellten die Hände hinab und versanken in seinem Schoß. Er straffte sich. „Morphium“, sagte er ruhig. Ich fuhr auf. „Sind Sie wahnsinnig?!“ „Nein – süchtig!“ Sein Kopf sank erschöpft herab unter der Bürde des Geständnisses. Dann begann es wieder in ihm zu glimmen.
weiterlesenDER VATER – Praxis ohne Theorie | #1
Wenn ich sterbe, dann möchte ich nicht schmerzlos hinübergleiten. Ich möchte nicht einfach einschlafen, und alles wäre vorbei. Wenn ich sterbe, will ich leiden. Der Schmerz soll mich noch einmal durchzucken. Einer überlasteten Stromleitung ähnlich, die ihr Letztes gibt, ehe sie durchbrennt, will ich alle Kraft noch einmal zusammenfassen. Einmal noch will ich mich aufbäumen, ein letztes Mal, bevor mein Körper schlaff und besiegt seinen Kampf aufgibt.
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