Liebe Leserinnen und Leser,
seit gestern bin ich wieder in Italien – sowieso ein Land mit hübschen Stellen (einschließlich meines Gartens) und gutem Essen (einschließlich meiner Küche). Das Allerschönste ist dieses Mal allerdings, dass ich diese dämlichen Wahlplakate nicht mehr zu sehen brauche. Lässt sich denn wirklich jemand von solchem Werbeagenturschrott beeindrucken, und wenn ja, müsste dem/der nicht das Wahlrecht entzogen werden? Dass diese störenden Aktionen mit Steuergeldern finanziert werden, macht mich so wütend: Wenn ich besser laufen könnte, würde ich dagegen auf die Straße gehen. Vielleicht starte ich zumindest eine Twitter-Aktion – da habe ich bisher sowieso viel zu wenige Follower. Themen zu erfinden ist heute genauso wichtig, wie es früher Kriegsgründe waren. Bismarck brauchte noch die Emser Depesche und Hitler den Sender Gleiwitz. Ich komme mit #annalenabaerbockundladygagalügen aus – vorausgesetzt, ich kann als Superspreader genügend News-Süchtige infizieren mit meinem Hirnquark.
Besonders willkommen im Wahlkampf sind Katastrophen. Da brauchen sich die Politiker nicht an Argumenten vorbeizumogeln, sondern können Präsenz zeigen. Fettnäpfchen gibt es natürlich auch da wie auf allen Bühnen. Nachdem Laschet schon vorher bestürzt gewesen war, war Steinmeier dran, in die Kamera hinein bestürzt zu sein, Laschet aber leider hinten noch im Bild: lachend! Eine kreuzkriecherische Entschuldigung wurde fällig. Lars Klingbeil von der SPD war trotzdem sprachlos, sagte er. SPD-Steinmeier scherzte auf anderem Video im Hintergrund zu Laschets Bestürzung. Wer sein Gesicht nicht kameralang griesgrämig halten kann, hat an Unglücksorten nichts verloren, bis auf seine Glaubwürdigkeit.
Das Allerfurchtbarste sind diese ‚ARD-Brennpunkte‘. Ich schalte sofort ab. Die Information über das Unheil habe ich in der ‚Tagesschau‘ bekommen. Daraufhin kann ich mit meinen Händen vor Ort oder mit meinem Geld vor Mitleid helfen. Wozu soll ich mich dann noch zwanzig Minuten lang am Entsetzen weiden? ‚Die Ärmsten, wie schrecklich! Gut, dass es mich nicht getroffen hat!‘ – ‚Im Augenblick ist die Situation noch zu unübersichtlich, um etwas über die Anzahl der Toten zu sagen, und damit zurück zu Susanne Daubner, ach nein, Judith Rakers.‘
Auch die Protagonistin unserer Erzählung steuert auf den abschließenden Brennpunkt zu. Danach werden wir sie verlassen. Sprachlos.
Mit aufrichtiger Anteilnahme,
Hanno Rinke
PS: Am Mittwoch, dem 04.08., sind Sommerferien. Am Freitag, dem 06.08., erfolgt die Einführung in das nächste Werk.
Die Wahlplakate sind wahrscheinlich auch nur noch dazu da daran zu erinnern, dass es im Herbst überhaupt eine Wahl gibt. Überzeugen werden die niemanden. Jedenfalls eine schöne Zeit in Italien, Herr Rinke!
Danke. Zurzeit regnet es. Zeit, sich weitere eigentümliche Geschichten auszudenken.
Dann wünsche ich Ihnen bald sonnigere Tage, schöne Sommerferien und warte mit Vorfreude auf die Ankündigung des neuen Textes.
Ebenso. Vielen Dank für den „Regen in der Wüste“ und eine schöne Zeit im Süden.
Es regnet weiter. Ich schreibe weiter. Alles in Ordnung.
Eigentlich ganz witzig, dass auch Laschet nun wohl ein paar Quellen in seinem Buch vergessen hat. Vielleicht kann man dann ja jetzt doch nochmal über ein paar wichtigere Themen reden.
Jemandem am Zeuge zu flicken, ist als Aufreger doch nicht zu toppen.
Und gleichzeitig braucht es am wenigsten Vorbereitung und Einsatz der Beteiligten. Die Bild freut sich auch. Alle gewinnen also.
Es sieht ja außerdem so aus, als ob sich die wenigsten für die unterschiedlichen politischen Inhalte interessieren. Trotz der ganzen Demonstrationen, die es in letzter Zeit gibt.
Das Gesicht sollte möglichst griesgrämig bleiben, gleichzeitig aber möglichst schlammfrei. Sonst erwartet einen wie kürzlich RTL-Moderatorin Susanna Ohlen die Beurlaubung.
Ah das habe ich in den Nachrichten gelesen. Das war allerdings auch eine äußerst alberne Aktion. Zumindest, wenn man als ernstzunehmende Reporterin angesehen werden möchte.