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Geschichte

Ein Wähler

Früher hab’ ich ja gepfiffen auf die Politik, jetzt scheiß’ ich drauf. Na ja, neulich, da bin ich doch noch mal wieder hingegangen zu diesem Blödsinn, und nun will niemand neben meinen AfD-Abgeordneten sitzen in dem Saal, wo die hingehören. Erst stolz sein auf ‚freie Wahlen‘ und dann beleidigt sein über das Ergebnis. Linke dürfen doch auch ins Parlament, wieso nicht Rechte? Niemand von der AfD ist so hübsch angezogen wie die Wagenknecht. Wahrscheinlich kommt die deshalb auch immer im Fernsehen. Gaulands Jacke wirkt etwas von gestern.

Inhalte zählen eben nicht mehr. Lange schon geht es nur noch um die Macht, und die haben die Konzerne: schmieren, gieren und regieren. Dagegen kann ich sowieso nichts tun, also bin ich jahrelang weggeblieben. Nur jetzt habe ich gedacht: Vielleicht können wir’s denen mal zeigen. ‚Meine Stimme‘ ist eine kleine Stimme, das ist wie ‚keine Stimme‘. Aber viele Stimmen wie meine Stimme, die ändern das Ergebnis. Stimmt schon. Demokratie eben. Dabei bin ich gar nicht rechts, ich bin bloß deutsch, und dazu steh’ ich, wieso denn nicht? Natürlich spielt auch das Alltägliche eine Rolle. Sicher will ich, dass unser Bürgerverein hier mehr Geld bekommt anstatt diese Leute von sonst woher, und ich will nicht, dass sich meine Enkel erschrecken, wenn sie so einen Schwarzen auf der Straße sehen müssen.

Foto links: Privatarchiv H. R. | Foto rechts: Angela George/Wikimedia Commons

Aber eigentlich bin ich schon zufrieden, wenn endlich wieder Ordnung herrscht. Keiner will den Hitler zurück. Das mit den Juden … vieles war trotzdem besser. Man wusste, woran man war, meinte mein Großvater immer. Und die Margot Honecker sagte völlig zu Recht über die Mauertoten, die wussten doch, was sie erwartete. War ja auch so. Bei der nächsten Wahl bleib’ ich wieder zu Hause.

Foto oben: Privatarchiv H. R. | Foto unten: Bundesarchiv/Wikimedia Commons

12 Kommentare zu “Ein Wähler

  1. Ein böser Artikel über ein böses Wahlergebnis. Wundern muss man sich fast nicht mehr. Höchstens darüber, dass gerade in einem Land wie Österreich, wo es den Menschen überdurchschnittlich gut geht, das Ergebnis noch erschreckender ist als anderswo.

  2. Man fragt sich dann immer, ob zu viel Demokratie nicht auch schadet. So schlau ist „das Volk“ nämlich leider nicht.

    1. Ich bin grundsätzlich auch für weniger Volksentscheide, weniger Verantwortung, weniger Mitsprache. Demokratie: ausdrücklich ja! Aber was auch immer man von unseren Politkern hält, sie beschäftigen sich nicht umsonst in Vollzeit mit den entsprechenden Problemen. Woher soll denn jeder Bürger der Bundesrepublik die nötige Expertise bzgl. Bundeshaushalt, Steuerreform, Flüchtlingskrisenbewältigung oder Wirtschaftswachstum haben? Völliger Irrsinn.

  3. Es ist natürlich ein Klischee, aber je mehr man auf die Politik scheisst, desto höher die Ausbeute für Parteien wie die AfD oder FPÖ. Protestwahl funktioniert nie. Ohne die „Never Hillary“-Fraktion wäre Trump nicht Präsident. Wer gegen Merkel’s Flüchtlingspolitk stimmt und AfD wählt, akzeptier, dass unter den Abgeordneten auch Neonazis im Bundestag sitzen.

    1. Na das auf die Politik scheissen ist hier ja eher satirisch gemeint. Aber ich stimme natürlich vollkommen zu. Je stärker diese rechtskonservativen und rechtsradikalen Stimmen werden, je mehr muss man sich aktiv einmischen.

    2. Ich bin auch nicht ganz sicher in welche Richtung der Artikel zielen will. Kann man getrost zuhause bleiben, weil sich eh nichts ändert? Bzw. sogar alles von alleine regelt? Oder sind wir gerade aufgerufen eben nicht nur faul auf dem Sofa die Nachrichten zu verfolgen? Den satirischen Anstrich habe ich verstanden, die Botschaft leider nicht.

  4. Ist der Artikel denn wirklich satirisch gemeint? Wenn z.B. über Neger auf der Straße geschrieben wird?! Den sarkastischen Tonfall hört man beim Lesen nämlich so schlecht…

    1. Der geübte Hanno-Rinke-Leser kennt doch mittlerweile den mal unterschwelligen, mal offensichtlichen Sarkasmus…

    2. Ohje! Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass irgendein Leser das für meine eigene Meinung halten könnte, selbst wenn er mich noch gar nicht kennt. Nicht einen einzigen Satz würde ich selber sagen. Das ist überhaupt nicht meine Sprache. Es tut mir leid, wenn das missverständlich war. Seit vielen Jahren schnappe ich Gespräche auf und glaubte bisher immer, etwas herauszufiltern, das klar macht, wie unmöglich solches Gerede ist. Nun bin ich seit ein paar Stunden wieder in Deutschland nach vier Monaten im Ausland (Briefwahl), und ich finde mich zurück in einer Republik, die mir nicht geheuer ist.

  5. Dass der Beitrag ein Kommentar zum durchaus erschreckenden Wahlergebnis und nicht die persönliche Meinung des Autors darstellt, wird ja schon beim Titelbild deutlich. Von daher, keine Sorge Herr Rinke. So missverständlich war das nicht. Beunruhigend ist die Situation trotzdem.

    1. Beunruhigend ist das Ganze tatsächlich. Zum Glück sind wir noch nicht ganz soweit wie die Nachbarn in den USA. Dort läuft man ja anscheinend schon wieder mit Hakenkreuz und Uniform rum. Zumindest wenn man sich unter genügend Gleichgesinnten verstecken kann. Eine Schande dieser Präsident, der so etwas noch befeuert.

  6. Dass die AfD als ihr erstes wichtiges Anliegen im Bundestag die Documenta verklage will, sagt doch schon alles. Was für ein Irrwitz. Was für eine dumme Partei. Was für eine dumme Wählerschaft.

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