Fronleichnam war das letzte – nun sind die Feste erst mal durch bis Allerheiligen. Während man zu Weihnachten Lebkuchen isst und zu Ostern Schokoladenhasen die Ohren abbeißt, lässt man sich zu Fronleichnam den Leib des Herrn schmecken. Die Bedeutung dieses Festes kennen noch weniger Menschen als die von Pfingsten, wobei ja selbst Weihnachten immer mehr vom gleichnamigen Mann bestimmt wird als vom Christkind. Wenn man dagegen den Mann auf der Straße nach der Bedeutung des Festes fragt, so wird der höchst selten antworten, dass Papst Urban IV. 1264 seines Wissens nach Fronleichnam zum Fest der Gesamtkirche erhob, um die mit Hilfe der Transsubstantationslehre jedem zur (Selbst-)Verständlichkeit gewordene Eucharistie zu feiern.
Anstoß für die Entscheidung des wie üblich unfehlbaren Papstes gab die Vision der natürlich heiliggesprochenen Augustiner-Chorfrau Juliana von Lüttich fünfundfünfzig Jahre zuvor. Gott dürfte sie also inzwischen zu sich geholt haben.
Foto: Wikimedia Commons/gemeinfrei
Damals aber, als sie noch auf Erden weilte, sah sie den Mond, der an einer Seite verdunkelt war. Nun hätte jeder Ungläubige die Ursache für dieses Phänomen mit einer Wolke erklärt. Jesus erklärte es anders. Er erschien Juliana und wies sie darauf hin, dass der Mond das Kirchenjahr bedeute, der dunkle Fleck, tja, der sei das Fehlen eines Festes für das Altarsakrament, bemängelte er. Von Lüttich aus drang diese Kunde – vermutlich doch auf dem Landweg – nach Rom, wo Gottes irdischer Stellvertreter aufgrund der Beschlüsse des vierten Laterankonzils die notwendigen Schritte unternahm.
An Fronleichnam feiern wir, dass, wenn wir zur Kommunion gehen und uns die Oblate am Gaumen festklebt, dies nicht Mehl und Wasser sind, sondern das Körperfleisch von Jesus: die Opferspeise. Wer das im Laufe der nächsten Jahrhunderte nicht glaubte, hatte allen Grund, es nicht zuzugeben, weil es sonst womöglich bald nach seinem eigenen gerösteten Fleisch vom Scheiterhaufen her geduftet hätte: Ketzer-Barbecue. Über die Zubereitungsart des Gotteskörpers gibt es kirchlicherseits keine Aussagen, es ist aber wahrscheinlich, dass das Fleisch um der besseren Haltbarkeit willen während der Wandlung geräuchert wird, besonders in warmen Ländern, denn das Allerheiligste – die geweihte Hostie – wird als Prozession ziemlich lange im Freien von Altar zu Altar getragen, was Carpaccio nicht zuträglich ist.
In Österreich war es früher üblich, an der Prozessionsstrecke nur Weizen und Roggen zu pflanzen: edle Getreide also. So etwas Ordinäres wie Hafer mochte man dem Gottesteil in der Monstranz nicht zumuten. Heute ist ja leider vieles profanisiert, und nicht mal in Italien ist Fronleichnam noch gesetzlicher Feiertag, was damit zusammenhängt, dass die römische Ritenkongregation 1959 Fronleichnam nicht als Liturgie, sondern bloß als pium exercitium definiert hat, also in den Zuständigkeitsbereich der Bischöfe durchwinkte – und das ist insofern ärgerlich, weil es nun südlich des Brenners keine Ausrede mehr gibt, auch am Freitag nach dem Fronleichnamsdonnerstag brückenhalber zu Hause zu bleiben.
Statt Gottes Sohn wird in protestantischen Gegenden häufig Götterspeise gereicht, besonders die grüne, weil Fronleichnam in die Zeit der Waldmeisterernte fällt. Das ist eine schöne Geste, denn eigentlich sollte „Corpus Christi“, wie das Fest etwas appetitlicher in anderen Ländern heißt, am Tag des Letzten Abendmahles – Gründonnerstag – gefeiert werden, was aber nicht ging, weil eine so pompöse Prachtentfaltung in der Karwoche (einen Tag vor kurzem Prozess plus Kreuzigung mit unmittelbar anschließender Beisetzung) als pietätlos hätte ausgelegt werden können. Nun war es zwar damals keinem unbefugten Menschen gestattet, irgendetwas auszulegen, aber das würde sich ja ändern: Kopernikus, die Aufklärung und Darwin würden noch erheblichen Ärger machen, da wollte man keine Angriffsfläche bieten und legte die prunkvolle Feierlichkeit halt auf einen anderen Donnerstag, nämlich den übernächsten nach Pfingsten – der fällt frühestens auf den 21. Mai und spätestens auf den 24. Juni.
Wer so gar nicht abwarten mag bis Allerheiligen, der kann zwischendurch, am 15. August, feiern, wie Jesus seine Mutter nachgeholt hat – nämlich mit Leib und Seele – Mariä Himmelfahrt. Dass nicht nur der unsterbliche Teil, sondern die ganze Leiche emporgeschwebt ist, hat Pius XII. 1950 in der Apostolischen Konstitution „Munificentissimus Deus“ zum Dogma erhoben. Aus diesem Anlass werde ich dann aber eher nicht schreiben. Da fehlen mir ganz einfach die Worte.
Titelfoto: Wikimedia Commons/gemeinfrei
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Oh mann! Kann es sein, dass Fronleichnam wirklich der idiotischste von allen Kirchenfeiertagen ist?! Wenn die Geschichte hier stimmt, sieht es wohl so aus…
Na immerhin kann man sich über einen weiteren Brückentag freuen. Zu viel mehr reicht’s beim Fronleichnam wohl tatsächlich nicht.
Oha! Der Ursprung des Feiertages war mir gar nicht bekannt. Nun ja, wenn jedes mal wenn der Mond einen „Fleck“ hat ein neuer Feiertag in den Kalender kommt, brauchen wir bald nicht mehr arbeiten gehen. Das sind ja nicht allzu schlechte Aussichten.
Die Brückentage sind wahrscheinlich wirklich das interessanteste an diesen ganzen Festen. Ich habe mich gerade mal ein bischen schlau gemacht; Fronleichnam ist mir nämlich auch ziemlich fremd. Anscheinend war Luther ein großer Gegner und bezeichnete die Fronleichnamsprozessionen einst als Gotteslästerung bzw. Fronleichnam selbst als das „schädlichste aller Feste“.
Glaubt denn ausser Pius XII wirklich jemand ernsthaft an Maria’s Himmelfahrt? Dann müsste es ja den Himmel geben. In der Orthodoxen Kirche klingt das Fest wenigstens hübscher: Entschlafung der hochheiligen Meisterin unser, der Gottesgebärerin.