Bis auf die FDP waren vor zehn Jahren alle damals angesagten Parteien – die Kirchen und die Gewerkschaften sowieso – dagegen, dem Pfingstmontag den Status eines Feiertages abzuerkennen. Ach! Nicht mal im katholischen Italien wird an Pfingstmontag blau gemacht, außer in Südtirol, aber natürlich im faulen Griechenland.
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Klar: das Pfingstfest leuchtet Glaubenswilligen auf Anhieb leichter ein als die Vorstellung, eine intakte Jungfrau habe in einem verfallenen Stall Gottes Sohn zum Zwecke der Sündenvergebung auf die Welt gebracht; ungefähr dreiunddreißig Jahre später sei er nach vorheriger Hinrichtung noch einmal zurückgekehrt auf die Erde, im Wesentlichen, um die Auferstehung des angenagelten Fleisches zu beweisen, die seither – katholischer Auffassung nach – allen Menschen bevorsteht, was vor allem für die, die keinen Wert darauf legen, dem Grab leibhaftig zu entsteigen und ihrer Verwandtschaft erneut zu begegnen, eine große Überraschung werden dürfte.
Zu Pfingsten sitzen einfach bloß aufgeschlossene Zeitgenossen beisammen, und der Heilige Geist, den man sich nicht unbedingt wie eine Taube auf dem Markusplatz vorstellen muss, hält Einkehr in ihre Seelen – das kann empfänglichen Gemütern sogar beim Tischerücken passieren und ist durchaus glaubhaft.
Das Pfingstereignis, „Pentekoste – der fünfzigste Tag nach Pessach“, bei dem kein Mummenschanz – etwa Tote aufwecken oder Nahrungsmittel wie Wein und Brot vermehren – betrieben wird, gilt als Entstehungsdatum der christlichen Kirche.
Die Gottesstrafe der babylonischen Sprachverwirrung wird mildtätig in ihr Gegenteil verwandelt: Alle verstehen einander, ohne Langenscheidt und Grammatik-Büffelei. So war’s: Eine Anzahl frommer Juden aus Jesu Umfeld saß wegen des Schawuot-Festes beisammen und ahnte nicht, dass aus ihnen gleich Urchristen werden würden.
Die Flämmchen der Weisheit, die bei El Greco und anderen frommen Malern den Erleuchteten aus der Stirn schießen, haben mich seit meiner Kindheit beschäftigt, und noch als Jungmanager erwähnte ich in jugoslawischen Kellerlokalen beim Verzehr hochpikanter Zwiebelgerichte unter Tränen, dies sei ein „serbisches Pfingstwunder“.
Umso bestürzender, dass – zufolge süffisanter Medienumfragen – die Besucher von Einkaufspassagen zwar Bescheid wissen über die Sonderangebote beim Kaffee-Röster „Tchibo“ und beim Duftverteiler „Douglas“, sich aber auf den Grund für den arbeitsfreien Montag Ende Mai keinen Reim machen können. Die Parteien (außer der FDP) und die Gewerkschaften haben einfach zu wenig Aufklärungsarbeit betrieben, und jetzt bleiben die Leute zu Hause und wissen nicht, warum.
Zurück von der Demo gegen das TTIP-Abkommen freuen sie sich über ungezieferfreundliches Getreide und keimbelastete Hühnchen, und der Heilige Geist findet keinen Zugang zu ihren Köpfen, die noch schlottern aus Angst vor Geheimdiensten und Erderwärmung, aber schon strotzen von der Gewissheit, eine bessere Zukunft durchzusetzen. Die Nichterrichtung des Stuttgarter Hauptbahnhofes als unsichtbares Denkmal erwachten Bürgersinns ging in die Geschichte, aber auch sonst, ein. Immerhin: 1995 beschlossen, sollte er ab 2008 im Einsatz sein – Pustekuchen. Jetzt hofft man auf 2022! Dass auch Gebäude ohne Bürgerprotest nicht fertig werden können, sieht man an der Elbphilharmonie; doch noch fröhlicher sind die Anwohner der BER-Einflugschneise, und die Bahn fährt auch nur noch selten.
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Am besten, wir lassen alles sausen: hässliche Stromtrassen, dreckige Braunkohle, gefährliche Atomkraft. Weg damit! Sollen die verblendeten Amerikaner im Silicon-Tal Finsteres ausbrüten, Embryonen klonen und Handelsabkommen mit den Pazifik-Anrainern unterschreiben! Wir Europäer bleiben umweltbewusste Pazifisten und werden in hundert Jahren ein nettes Museum sein, in das die asiatischen und amerikanischen Völker gern mal auf einen Urlaub kommen, um Schlutzkrapfen zu essen und Trinkgelder zu verteilen. Die Afrikaner sind dann ja sowieso längst hier. Da mag der Heilige Geist getrost im Taubenschlag verharren, während sich das Wissen zwischen Rate-Show und Bachelor-Abschluss vergoogelt hat.
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Nie habe ich wirklich verstanden, was da Pfingsten eigentlich so vor sich ging und was, um Himmels Willen, eigentlich der „Heilige Geist“ sein soll – wahrscheinlich bin ich deshalb, trotz christlicher Erziehung, ein soo Ungläubiger geblieben …
Glauben kann ich nur an etwas, was ich auch irgendwie erlebe. Erleben tue ich immer wieder die Freude an Deinen Interpretationen und Kommentaren – ich glaube also, dass das so weitergeht und freue mich schon auf den nächsten Beitrag!
In der Türkei gibt es kein Pfingsten und darum habe ich bei meiner Ankunft gestern auch gern das Thema ausgeschaltet. Mich interessiert im Moment nur das gute Wetter auf unserer Reise von Ankara in den Süden, die wirklich netten Leute, das Wohlergehen meiner türkischen Verwandtschaft und natürlich das vorzügliche Essen.
Hanno´s wie immer brillanten und blickwinkelerweiternden Anmerkungen, Kommentare und Analysen zu Pfingsten sind unterhaltend wie eh, werden bei mir aber nicht nachwirken, weil der Muhezin der benachbarten Moschee da keinen Raum läßt. Eberhard
Mit Feierlaune gelesen! Das wusste ich Alles schon leider nur nicht wohin damit.
Hier stehts bitte sehr, Burschikos. Danke schön und mehr.
Ich mag den leisen Witz,die…Ironie, es macht das Leben erträglicher…!