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Maria und Joseph waren keine orientalischen Flüchtlinge; nur Reisende mit schlechter Planung. Wäre Joseph mit seiner hochschwangeren Begleitung schon am vierten Advent von Nazareth aus aufgebrochen, dann müssten die beiden die Nacht von Donnerstag auf Freitag nicht mitten unter dem Vieh zubringen. Eine äußerst unsterile Geburt. Wer die überlebt, der muss wohl Gott sein. Und dass der Gott droben dieses „Sohn“ genannte Stück seiner selbst dreiunddreißig Jahre später ans Kreuz hat nageln lassen, gilt als Beweis dafür, wie sehr er die Menschen, die er offenbar vermurkst hatte, trotzdem liebte; und von der malerischen Episode im Stall an gilt: Das Christentum in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf. Die christlichen Vorstellungen entsprechen zu zwei Dritteln den Idealen der Französischen Revolution: Freiheit kommt in der Bibel zwar weniger vor, aber Gleichheit und Brüderlichkeit verkündet auch das Neue Testament. Heute heißt das: Gerechtigkeit und Solidarität – unsere westlichen Werte. Klingt für uns fast selbstverständlich, ist es aber nicht und hat Grenzen. Grenzen – sie sind das Thema des Jahres. Grenzenloses Mitleid mit einzelnen ist christlich. Hunderttausende überfordern die Seele. Da hilft nur Organisation. Ständig sehe ich im Fernsehen jetzt Kopftücher; die sind aber nicht modisches Accessoire; die sind Bekenntnis; da wird mir etwas bange. Werden diese Frauen am Bildschirm oder gar am Konferenztisch landen oder doch nur im Asylantenheim und im Kindbett? „Ihr Kinderlein kommet“ kann ich dieses Jahr nicht bedenkenlos singen.
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Den CO₂-Ausstoß in Peking finde ich nicht viel bedrohlicher als den afrikanischen Geburtenausstoß. Aber – ich will nicht zynisch sein, sondern optimistisch: Fremde waren in allen Kulturen immer schon eine größere Bereicherung als selbstzufriedene Spießer, vor allem für die Überlebenden. Als Mindestes können wir hoffen, dass uns in hundert Jahren amerikanische und asiatische Touristen aus ihrer Freihandelszone heraus besuchen kommen, dass sie an unserem schmucken Disney-Europa mit seinen wieder eingeführten putzigen Nationalgrenzen genauso viel Freude haben werden wie wir heute an Inka-Tempeln und an der Chinesischen Mauer und dass sie unseren Nachkommen ordentliche Trinkgelder geben werden.
Aber gerade deshalb sage ich: Es ist schön, dass es uns jetzt gibt, und es ist schön, dass es uns so gut geht. Lasst uns teilen, was wir können, und bewahren, was wir müssen. Doch was ist das? Wenn ich mich umschaue, jetzt zu Weihnachten: Überall sehe ich Dekoration. Fromme Gläubigkeit sehe ich nicht, auch nicht in mir. Trotzdem bin ich dankbar. Nur weiß ich nicht, wem.
Amen.
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der Gebet-Ersatz spricht mir aus dem Herzen- besonders der Schluss! Die Verbindung von dem etwas zynisch formulierten „Geburtenausstoß“ zui „Ihr Kinderlein kommet“- das ist so typisch für Hannos Wortwitz durch übberraschende Assoziation!