Als die Abfertigung durchgestanden war, wandte ich mich schüchtern an eine der Stewardessen und fragte, ob ich denn wohl auch hier per Lautsprecher erfahren würde, wann ich nach New York dürfte. Das ginge manchmal ganz schnell, erwiderte sie. Aber die Maschine würde nicht ohne mich fliegen, beharrte ich kämpferisch, denn ich habe Gepäck aufgegeben. Darin könne eine Bombe sein. „Ja“, triumphierte sie, „aber wenn dann ihretwegen die Starterlaubnis versäumt ist, kann es über eine Stunde dauern, bis sie wieder gegeben wird.“ Im Bewusstsein, mich vernichtend geschlagen zu haben, wurde sie freundlicher: „Aber machen Sie sich keine Sorgen! Der Luftraum über dem Atlantik ist heute so voll, wir hatten schon einige Beinahe-Zusammenstöße. Das dauert bestimmt noch lange.“
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Als ich also bemerkte, dass ich weniger auf gegossenem Plastik als auf glühenden Kohlen saß, schleppte ich meine bleierne Habe reumütig zurück durch die Kontrolle an den New-York-Schalter, wo die Flugerlaubnis noch lange nicht erteilt war, aber ich etwas Schnippisches im Blick der Eingeborenenfrauen auszumachen glaubte, während sie im selben Rhythmus ihre fetten Hintern und ihre dünnen Kinder wiegten. Was gegossenes Plastik alles aushält … Mehr jedenfalls als lädierte Wirbelsäulen beim Stehen. Erst gestern hatte ich mir ein ABC-Pflaster vom Rücken gerissen, weil Roland behauptete, dass man davon Hautentzündungen bekäme. – Eine Frau löste sich heulend aus der Schlange der Wartenden: Sie hätte nach Bombay gewollt. Warum, hatte die keinen Plastikhocker gehabt? Nach anderthalb Stunden war es dann aber doch so weit, und ich bekam meinen schönen Sitzplatz im Upper-Deck des Jumbos, verwöhnt von einer nett-dummen Stewardess, die willig Sekt und Wein ausschenkte und fürs Essen nichts konnte.
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Die Verspätung würden wir einholen, um meinen Anschluss nach Boston bräuchte ich mir keine Sorgen zu machen, tröstete sie mich nett-dumm, und ich war zu ausgebufft, um ihr zu glauben. Erstmals dämmerte mir, dass ich auf dieser Reise keine Eile mehr haben würde. Trotzdem hörte ich es nicht gern, als nach sechs Stunden Flug der Captain sagte, wir hätten nun noch zwei Stunden Flugzeit bis nach New York, bloß dass in New York der Flugplatz wegen Nebels geschlossen sei, er würde uns weiter informieren.
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Ein bisschen Gottvertrauen muss man haben, besonders wenn man so weit oben ist. Und wirklich, als wir New York erreichten, hatte der Kennedy-Airport gerade wieder geöffnet, und so hatten wir das Glück, nach etwa einer Stunde Kreisen vom Himmel beordert worden zu sein, nach all den anderen, die dort schon länger auf Landeerlaubnis gewartet hatten.
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Upper-Deck des Jumbos, oh la la! Dass der A380 kurz vor dem Ende steht, hätte man auch nicht gedacht.
Ein bischen Megalomanie stirbt. Besser so.
Ahhrrgg, jetzt wird der langsam aber sicher eingestampft und ich bin immer noch nicht damit geflogen.
Dass sie nicht gleich von der Polizei abgeführt wurden, wundert mich ein wenig, bei all den Sicherheitsvorkehrungen heutzutage. Wenn man einer Stewardess sagt, dass ein Sprengkörper im Gepäck sein kann, muss sie das sofort melden und es greifen sofortige Sicherheitsvorkehrungen. Da hilft einem auch eine Formulierung im Konjunktiv nicht mehr weiter.
Selbst das Sicherheitspersonal am Flughafen weiss sicherlich zwischen Scherz und Ernst zu unterscheiden.
Der Brief stammt von 1988.
Mit ein bischen Charme könnte man das bestimmt auch heute noch verkaufen 😉
So manche (auf den ersten Blick unkomplizierte) Reise wird bevor man sich versieht zur Odyssee. Solche Abenteuer habe ich auch schon hinter mir. Ein Flug nach Singapur mit einem ganzen Tag Verspätung kommt mir z.B. in den Sinn.
Glück im Unglück. Am falschen Flughafen zu landen gehört sicher zu den unangenehmeren Erlebnissen des Jet-Set 😉
So schüchtern stelle ich sie mir gar nicht vor. Auch 1988 nicht.
Schüchtern zu sein konnte ich mir auch gar nicht leisten. Nur stets mit dem Schlimmsten rechnen: wenn man dann überrascht wird, ist es immer positiv.
Das ist auch meine Herangehensweise. Erst einmal vorsichtig herantasten und schauen wie mein Gegenüber reagiert.
Ich vertraue lieber der modernen Technik als Gott 😉
Irgendwie muss ich an Ludwig Feuerbach denken. Der sagte: Denn nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, wie es in der Bibel steht, sondern der Mensch schuf, wie ich im „Wesen des Christentums“ zeigte, Gott nach seinem Bilde.
Interessante These
Auch Bert Brecht hat sich zu dem Thema geäußert, nur durch ein anderes Satzzeichen:
Der Mensch denkt, Gott lenkt.
Sprüche 16, 32
Der Mensch denkt: Gott lenkt.
Brecht
Hahaha, den merke ich mir 🙂
Und vielleicht ein letztes Zitat, das uns wieder zurück zur Technik bringt: Für den gläubigen Menschen steht Gott am Anfang, für den Wissenschaftler am Ende aller seiner Überlegungen.
Gemeinsam sind sie stark.
Hahahah, das taugt zum perfekten Slogan 😆
Die Mischung macht’s, haha! Lässt sich alles bis ins Detail erklären, wird es langweilig. Muss man allein auf den Glauben vertrauen ebenso.
Man meint immer im Flieger geht die Reise schneller als mit anderen Verkehrsmitteln. Im Fall von NYC stimmt das sicherlich trotzdem, aber wer regelmäßig fliegen muss weiss auch wie lang so eine Reise mitunter werden kann.
Leider ist’s bei der Bahn aber auch nicht anders. Die Reisen bei denen ich pünktlich angekommen bin, keinen Anschlusszug verpasst habe etc. kann ich an einer Hand abzählen.
Und dazu gibt es jetzt aktuell 57 Milliarden Euro Sanierungsstau. Bravo.
Dann wär’s doch mal wieder Zeit für eine kleine Preiserhöhung. Damit noch weniger Kunden Bahn fahren. Ironie aus.
Die Zugauslastung geht allerdings in den letzten Jahren stetig nach oben. Irgendwas macht die Bahn anscheinend doch richtig.