Rangeklotzt
hingerotzt,
oft von allem angekotzt:
blind ins Leben reingeschickt,
irgendwann mal reingefickt,
reingewaschen in der Taufe:
gleich vom Leben in die Traufe.
Angebetet, angehasst:
Welt als Kirche, Welt als Knast.
Geil aufs Leben draufgewichst –
angeekelt, ausgetrickst.
Angerotzt,
angekotzt,
oft genug zurückgemotzt.
Draufgekloppt und nachgegeben:
leben lassen, selber kleben.
Fassen lernen, greifen lernen:
nach der Scheiße, nach den Sternen.
Stehen lernen, laufen lernen:
erst ums Eck und dann ums Leben.
Schreiben lernen und geschrieben,
noch gelernt, den Menschen lieben,
aber dann schon abgefunden
mit den Stunden, für die Stunden
voller Rausch oder voll Klarheit,
Lügensüße oder Wahrheit.
Glatt bestochen,
angekrochen.
Noch ein bisschen wild gespielt
und schon nach dem Glück geschielt.
Dem Leben getraut
(nette Braut)
dem Leben verlobt,
brav geworden:
ausgetobt.
(1972)
Und das ist dann also auch gleich der Gegenpol zum letzten Gedicht. Langweilig wird es hier wirklich nicht 😉
Nun ja, das Gedicht vom Freitag hat mich eher angesprochen. Aber langweilig wird es tatsächlich nicht. Und das ist auch die Hauptsache.
Vom Gefühl zum Exzess … das ist im wahrsten Sinne für jeden Geschmack etwas dabei.
Hingerotzt trifft zumindest bei den Gedichten nun so gar nicht zu. Zur Freude der Leser 😉
Voller Rausch trifft’s schon eher, hahah!
„Geil aufs Leben draufgewichst!“ LOL den muss ich mir merken 😉
Da kann man nur sagen: ein HOCH auf’s Leben!
1972 zu 2018 – bis auf die mindere Betrachtung von Kirche und Ehe ist gesellschaftlich noch alles beim Alten geblieben. Besonders was die Tonalität der Sprache angeht.
Bleibt nicht immer alles beim alten?!
Vor 35 Jahren geschrieben, Wahnsinn. Das merkt man dem Gedicht nun so gar nicht an. Nennt man das zeitlos? Jedenfalls geben diese älteren Texte dem Blog ein ganz anderes Gewicht. Irgendwie.
Ich würde sagen, man merkt einfach, dass der Blog kein Trendereignis ist, sondern Ergebnis eines kreativen und erfüllten Lebens.
Eine Biografie heruntergebrochen auf ein paar Gedichtzeilen. Mehr brauch’s nicht würde ich sagen. Ziemlich toll.
Welt als Kirche, Welt als Knast finde ich ja ausgesprochen treffend. Je nach Blickwinkel oder Lebenssituation kann sie wahnsinnig weit oder beklemmend eng wirken.
Genau auf den Punkt. Und bisher sicherlich auch mein liebstes Rinke-Gedicht 🙂
Die Schlusszeile macht mir allerdings Kopfzerbrechen… sobald man „Ja“ zum Leben sagt und sich entsprechend anpasst hat es sich ausgetobt? Verstehe ich das so richtig?! Hmmm…
Brav geworden ist ja quasi eine Entscheidung. Es tobt sich also nicht automatisch aus 😉
Hoffentlich stimmt das!