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Ich bin Zahnarzt. Morgens um fünf stehe ich auf, mache die Schularbeiten für meinen Jungen, verprügle meine Frau, vergewaltige mein Mädchen, stille den Zwitter und bereite das Frühstück für den Hund zu. Im Allgemeinen will er zwei Eier im Glas und Vollkornbrot, aber sonntags isst er auch schon mal Fischstäbchen. Gegen viertel nach fünf verlasse ich das Haus und fahre auf meinem Dreirad zum Großmarkt, um Obst und Gemüse einzukaufen. Ich betreibe nämlich nebenher noch ein Blumengeschäft, das sich im Penthouse des Bungalows befindet, in dem ich meine Praxis habe. Wenn meine Sprechstundenhilfe den Patienten nicht beim Masturbieren hilft, steht sie im Laden und bedient. Wir verkaufen sehr viele Spargelkraut-Kränze, aber auch Kakteensträuße gehen gut, besonders montags, wenn wir geschlossen haben.
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Der Montag gehört ganz meiner Familie. Da schlage ich sie immer krankenhausreif. Die Leiterin der Notaufnahme ist eine Studiokollegin von mir. Wir haben uns früher immer gegenseitig Klistiere gemacht, während die anderen gegen Springer demonstrierten. Das war eine schöne Zeit. Mein Gott, waren wir jung. Und so ausgelassen! Na ja, vorbei. Es hat auch keinen Sinn, der Vergangenheit nachzutrauern: Sie kommt nie wieder. – Außer im Traum. Ich träume noch oft von dem Tag, als ich zum ersten Mal ein Gebiss sah. Es war Ende August, und der Himmel hatte ein verhaltenes Leuchten wie angezündete Milch. „Was hast du denn?“, fragte meine Mutter, die damals noch nicht im Rollstuhl saß, denn ich hatte einen kleinen Schrei ausgestoßen, der zwischen Überraschung und Entzücken schwankte.
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„Sehen Sie nur, Mutter, das ist allerliebst!“, rief ich ihr von der Einfriedung der Terrasse her zu. Natürlich sagte ich das nur, um sie zu necken. Ich wusste ja, dass sie blind war. Ein paar Wochen zuvor hatte ich ihr Salzsäure in ihr Fläschchen mit Augentropfen gefüllt. Ja, ich war oft zu Streichen aufgelegt und manches liebe Mal seufzte meine Gouvernante. Aber ich konnte auch nachdenklich sein. Dann saß ich stundenlang in der Fischfabrik und zählte die Schuppen der Goldfische. – „Du weißt doch, dass ich nicht mehr sehen kann, du Schlingel“, entgegnete Mama lachend, „also nun komm und erzähl mir, was da ist!“ – „Ein Gebiss!“, jubelte ich, „das muss ein Gebiss sein. Wie häufig habe ich in der Bibel davon gelesen, und jetzt sehe ich es mit eigenen Augen!“
„Achso“, sagte meine Mutter ein wenig enttäuscht. „Das Gebiss gehört dem Löwenmäulchen, das ich vorige Woche gepflückt habe. Du darfst es aber nicht essen. Das bringt Unglück.“
Ich aß es nicht. Ich wurde Zahnarzt. Morgen darf ich zum ersten Mal bohren. Darauf freu’ ich mich schon. Wenn man imstande ist, auch die kleinen Dinge des Alltags zu genießen, kann das Leben wirklich schön sein. Schade, dass die Menschen so anspruchsvoll sind. Ich glaube, es wird immer Kriege geben. Dieses viele vergossene Blut! Aber sie sind halt so, die Menschen. Na ja.
Was für ein trauriger Text zum Neuen Jahr. Aber irgendwie stimmt das sicherlich. So sind sie, die Menschen. Ich geb‘ die Hoffnung trotzdem nicht auf. Auf ein besseres, fröhlicheres 2018!
Hahaha, auch zum Jahresanfang bleibt einem das Lachen irgendwie im Halse stecken. Alles Gute und auf viele neue, spannende Blogbeiträge Herr Rinke!
Wunderbar, eine gute Erinnerung, dass ich ja Anfang des Jahres zum Zahnarzt wollte 😉 Hahaha! Frohes Neues Jahr Herr Rinke!
Ausnahmsweise mal JWvG:
„Im neuen Jahre Glück und Heil,
Auf Weh und Wunden gute Salbe!
Auf groben Klotz ein grober Keil!
Auf einen Schelmen anderthalbe!“
Frohes Neues Jahr allerseits!
Passend. Frohes Neues auch von mir.
Danke! Wie schön, mal wieder etwas vom Original zu lesen. „Fack ju Göhte III“ war der erfolgreichste Film 2017 in Deutschland, oh Schande! Ich bin Gott sei Dank erst in zwei Wochen wieder im Germanischen und habe mich bis dahin vermutlich abgeregt.
Der erfolgreichste Film? Wirklich? Und ich wollte gerade etwas hoffnungsvolles für 2018 schreiben…
Ich habe in Berlin nur von fünf Amputationen nach blödem Rumgeböller gelesen. Und zwei Toten. Und Angriffen auf die Rettungsteams mit Schusswaffen. Dann lieber zum Zahnarzt. Happy 2018.
Für’s Neue Jahr wünsche ich mir ein paar mehr Überraschungen und Herausforderungen. Sonst wird’s langweilig. Viele weitere witzige Blog-Posts natürlich auch. Dann lass mal sehen was du zu bieten hast 2018 😉 Los geht’s…
Alle Jahre wieder…12 people who will (potentially) ruin 2018:
https://www.politico.eu/article/12-people-who-will-potentially-ruin-2018/
Viel Spaß beim Stöbern!
Da fallen einem glatt noch mehr ein, aber ja auch ein paar Hoffnungsträger …
Immerhin wird Trump dieses Jahr aus dem Amt gejagt. Das ist dann eine Person weniger. In Deutschland gibt’s ja nicht mal ’ne Regierung. Da kann man also noch gar nichts zu sagen.
Da sollte man sich allerdings nicht zu früh freuen. Der Weg zum Amtsenthebungsverfahren ist lang. Aber es gibt ja auch noch ander Länder als die USA und, wie Herr Rinke bereits sagte, den ein oder anderen Hoffnungsträger.
Und trotzdem:
http://www.newsweek.com/donald-trump-impeachment-reelection-2020-753546
Trump wird frühestens gehen müssen, wenn die Demokraten die Mehrheit im Senat/Haus zurückerobert haben. Das kann bei den Midterms passieren, muss aber nicht. Wir müssen’s wohl abwarten.
Gerade auf Spiegeln Online gelesen: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/supreme-court-entscheidet-ueber-zukunft-unserer-privatsphaere-a-1186009.html
Wenn das so stimmt und wirklich in die Tat umgesetzt wird, gibt es wohl noch ein paar mehr Leute, die 2018 (und die folgenden Jahre) ruinieren könnten. Sehr, sehr gruselig, was da verabschiedet werden soll. Die USA demontieren sich nicht nur selbst, sondern reißen gleich die ganze Welt mit in den Keller.
Da denkt man nun, man hätte das Gruseligste ausgemalt, wie was und wer sein kann, und dann kommt diese plumpe Wirklichkeit und kann es besser. Scheiße!
Das Leben ist wohl immer noch mal einen Tick grausamer als die Phantasie. Ich hoffe, die Einsicht betrifft Sie nicht persönlich.
Ich bin Pessimist, deshalb werde ich im Gegensatz zu Optimisten nie enttäuscht, sondern oft angenehm überrascht.
Schlaue Einstellung. Optimisten kommen mir irgendwie immer ein wenig dümmlich vor. Aber vielleicht fehlt mir auch einfach der Glaube an’s Gute im Menschen.