Teilen:

2106
Wahnsinn

Meine Gabi

Meine Gabi ist mein Ein und Alles. Jeden Morgen darf Gabi aus dem Käfig, und dann gehe ich Gassi mit ihr. Viele meiner Bekannten sagen ja, ich solle sie doch ruhig die ganze Zeit im Käfig lassen, aber das fällt mir nicht im Traum ein, doch nicht meine Gabi!

Foto: Lightspring/Shutterstock

„Gabi“, sage ich und sehe durch die Gitterstäbe, „Gaaa-biiie“. Dann dreht sie das Köpfchen so putzig, ganz reizend. Man muss sie einfach gern haben, das drollige Tierchen, das. Ich schürze die Lippen zu kleinen symbolischen Küsschen, öffne den Käfig und lege ihr das Halsband an, ja, das muss sein. So einfach frei rumlaufen lassen, das darf meine Gabi nicht. Kaum auszudenken, was da alles passieren könnte!

Foto: Swapan Photography/Shutterstock

Gabi ist mein Wellensittich, und sie mag die Leine nicht sehr. Ich habe ihr diese Leine selbst gebastelt, aus einem Bindfaden, den ich Gabi fest um den Hals knote, jaja, Ordnung muss sein.

Foto: Vyaseleva/Shutterstock

Auf unserem Gang durch die Straßen ermuntere ich Gabi immer wieder: „Gabi: piep! Piep, piep, Gabi.“ Selten mit Erfolg, der Ausflug macht sie irgendwie sprachlos. Wenn wir bei der Tierhandlung eintreffen, ist Gabi meist schon im Himmel, und ich kaufe im Laden zwei neue Gabis, eine lege ich für den Heimweg an die Leine, sie schafft es im Allgemeinen gerade noch bis nach Hause, die andere lasse ich mir einpacken, die ist für den Käfig: bis zum nächsten Tag.

Foto oben: Helen Hotson/Shutterstock | Foto unten: Caftor/Shutterstock

Nachmittags esse ich oft ein Stück Kuchen: Bienenstich, auch mal was mit Obst. Fleisch bekäme ich nie runter. Gabi auch nicht.

Foto: Robyn Mackenzie/Shutterstock

Wenn Gabi das Köpfchen unter einen Flügel steckt und nach Milben hackt, das ist einfach goldig. Dann guckt sie mich mit ihren Stecknadelkopf-Äugchen an, und ich füttere sie mit Kuchenkrümeln, die sie mir vom Zeigefinger pickt.

Die Leute lachen ja über mich, ich weiß, aber ich lache leise mit: Überall auf der Welt sieht man Streit, Zwietracht und Kummer. Meine Gabi und ich, wir sind wirklich glücklich miteinander. Eigentlich sind wir unzertrennlich.

Foto: Gts/Shutterstock | Titelfoto: mikolajn/Shutterstock

8 Kommentare zu “Meine Gabi

  1. So hat der Protagonist doch mehr als nur eine Meise und sollte den Bindfaden um seinen Hals lockern, um die Sauerstoffzufuhr zu erhöhen.

  2. Fleisch bekäme die Gabi nie runter. Ein Vorbild im Kampf gegen die Klimakatastrophe. Danke Gabi. Danke Hanno.

  3. Ein aufwendiges Gabi-Hobby ist das. Ein Besuch im Zoo wäre vielleicht eine entspanntere Alternative für den Gabi-Liebhaber 😉

  4. Die arme Gabi. Aber ziemlich ähnlich wird heutzutage gedated. Liebhaber her, weg, neuer her, weg, wieder neuer her…

  5. Ich habe als kleiner Junge meinem Wellensittich aus Versehen den Schwanz zwischen Käfig und Wand eingeklemmt. Fliegen konnte er danach nicht mehr besonders gut. Das war wirklich eines meiner großen Kindheitstraumen.

    1. Dem Vogel selbst nutzt es nichts. Aber für uns macht es einen Unterschied, ob etwas aus Versehen oder mit Absicht getan wird. Allerdings hat sich schon Ödipus die Augen ausgestochen, um seine (vermeintliche) Schuld zu sühnen. Ich hoffe, Sie sind weniger rabiat mit sich umgegangen. Die Erfahrung, etwas zu tun, was schlimme Folgen hat, bleibt kaum jemandem erspart. Teil des „Leben Lernen“s.

    2. Bekommen deshalb viele Kinder irgendwann einmal ein Haustier? Damit man die schlimmen Konsequenzen seiner Taten erst einmal am Tier erfahren darf, bevor man dazu übergeht Menschen zu quälen?

      1. Ziemlich Makaber ausformuliert, aber ja, Haustiere lehren natürlich Verantwortung. Keine Frage.

Schreiben Sie einen Kommentar!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

dreizehn − neun =