AUS DER WELT
(Der Bub: B; das Madl: M)
B: Du, i muss dir was sagen.
M: So? Was denn?
B: Es fallt ma net leicht …
M: Dann weiß i scho’.
B: Was weißt?
M: I habs lang gwusst.
B: Woher denn?
M: I habs gspürt. Wann gehst?
B: In sechs Wochn is so weit.
M: In sechs Wochn scho’? – Immer hab i ’s gwusst. Du bist kaaner für hier.
B: Wie meinst ’n das?
M: Du bist halt anders. Das wars ja, was i immer hab mögn an dir.
B: Machts dir nix aus?
M: Ob’s mir nix ausmacht! Soll i dir aan Wirbl aufführn? Würd’s was nutzn?
B: I bin mir so unsicher. Am liebsten würd i die ganze Sachn schmeißn, würd i am liebsten. Aan Wort von dir …
M: Des kriegst net! Und wann i krepier!
B: Jesses, was hast denn mit aamal?
M: Und was willst ’n du? Erst fragst, ob’s mir nix ausmachen tut und dann ... Und dann – Ah, is scho’ recht. Du – i freu mi für di.
B: I freu mi net.
M: Geh, das redst so daher. Wann’s erst weg bist, da denkst gleich ganz anders.
B: Des is ja grad, wovor i Angst hab. I will ja gar net anders denken. I will das vermissn, was i verlier.
M: Was verlierst scho’ hier? Die paar Wiesn, die paar Häuser.
B: Ob i den Geruch von Korn vermissn werd, den i jetzt riech? Und wie wird das sein, einen Geruch zu vermissn, der doch immer da war?
M: Schad, aber man überlebt’s.
B: Und die Menschen?
M: Die Menschen, die saan doch der Grund, dass du gehst.
B: Du wärst der Grund, dass i tät bleibn wolln.
M: I glaubs dir, aber i weiß es besser. Aan, zwoa Jahr, und du bist hier fremder als in der Stadt.
B: I werd nie zu Haus saan können, da.
M: Vielleicht net. Dann kannst halt träumen von hier. Wann d’ hier bleibst, kannst net mal mehr träumen.
B: I denk, i bin bald z’ruck. I will nur aanen Lehrgang da machen, weißt.
M: Du, i hoff, dass du net z’ruckkommst. Denn wann d’ z’ruckkommst, heißt das, du hasts net g’packt. Soll i dir das wünschn?
B: Du weißt ja, wie sie sind, hier. I hab halt a Bestätigung brauchn. Hier hab’s alle nur glacht. I kam mir scho’ ganz damisch vor, wann i losgezogen bin mit die Staffelei und die Farbn. I wollt halt endlich wissen, ob’s was taugt, was i mach.
M: Des hättst von mir hörn können. Aber i bin halt kaan Professor oder was und, is scho’ recht, i kann dir net helfn da.
B: I hab gdacht, sie würdn mi als hoffnungslos altmodisch ablehnen an der Akademie, als i hingangen bin mit meine Mappn. Aber sie haben bloß gsagt, i muss viel lernen, aber i hab Talent und sie täten mi nehmen.
M: Du bist net altmodisch, grad du net. Mein Gott, da kommt doch das Internet und die Moden in jeden kleinsten Winkl heut, altmodisch, des is doch net mehr aufm Land, des is doch nur noch im Kopf – und da bist du ganz vorn weg, und darum g’hörst auch net hin hier.
B: Wann i geh, und i muss wohl – aans sag i dir: I hol di nach.
M: Wann’s dir hilft.
B: Freilich hilft mir des.
M: I mein, wann’s dir hilft, dass du’s glaubst.
B: Du behandelst mi wie aa Kind.
M: Des hab i immer g’tan. Wann’s di endlich zum störn anfang, dann wirst erwachsen.
B: Schau, du sagst ja selbst: Früher, da war aan Dorf abgeschnitten von der Welt. Heut, da is man doch gleich überall. Dorf – das gibt’s ja gar net mehr.
M: Also? Was fürchtst di dann vor der Stadt?
B: I fürcht mi net, es is nur …
M: Erzähl, wie bist dann du da hinkommen an die Akademie?
B: Mit dem Zug, knapp zwei Stundn.
M: Des mein i net, du Depp. I mein, wer di drauf g’bracht hat.
B: Der Ziegler, unser Zeichenlehrer damals auf der Schule, und der hat des auch arrangiert für mi.
M: I könnt mi tretn, des i des net selbst g’tan hab. I wusst, es war nötig. Aber i hab’s immer rauszögern wolln. Nun bleibt mir net mal des.
B: Ob’s was wird, weiß ja noch kaan Mensch. – I wär auch hierg’bliebn, wann’s mi net alle immer verlacht hättn. I habs nie verstandn, warum jemand aan Pfundskerl is, wann er Fußball spieln kaan und aan Widerwurzn, wann er sa Rua habn will. I glaub, i will einfach für a Zeit lang mit Menschen saan, die so saan wie i.
M: Ja, genau des is es.
B: I mein, du natürlich, du …
M: I zähl nix. Und i sag des ohne Vorwurf. I bin net traurig drum. I möcht net mit dir tauschn. Wer weiß. Vielleicht mach i mir auch was vor. So wie du dir was vormachst. Und mir.
B: Das stimmt net.
M: Und warum hast nix gsagt, dass du losfährst, di bewerbn?
B: Wann’s net g’klappt hätt, die Blamag’ …
M: So saans halt, die Herrn Künstler. Begabt, aber feig.
B: Was heißt denn Künstler! Du siehst mi scho’ als Picasso. I werd kaum maln, i werd zeichnen, wenn i a großes Glück hab, dann kann i später mal für aane Werbefirma was machen oder im Architektenbüro.
M: Du wirst groß sein. Du wirst die Welt sehn. I will es so.
B: Aan Schmarrn werd i. Meine Studierstuben werd i sehn, sonst nix.
M: Du kennst di net, wie i di kenn.
B: Du bist so stark.
M: Ja, i bin kräftig. Wie aan Mannsbild fast. Aber du hast andere Stärken, du bist zärtlich, zärtlicher als andere Männer. Es gibt etwas, was du suchst und net finden kannst bei mir.
B: Das weiß i. Deshalb muss i ja in die Stadt.
M: Ja, deshalb musst in die Stadt.
B: Weißt, i hab nur Talent, sonst nix. Du bist viel reicher. Du hast Herz und Mut und …
M: Komm, komm!
B: Und außerdem: I bin ja net aus der Welt.
M: Doch. Des is genau, was du sein wirst.
B: Du machst es mir wirklich schwer.
M: Kaan Mensch wird’s dir leicht machen. Mach’s du ihnen auch net zu leicht, um des bitt i di.
B: I hab so verruckte Ideen, so verruckte Ideen hab i. Von vielen weiß i noch gar net, was aus eanen werden soll. Vielleicht, i hoff’s, kann i die Leut wirklich was sagn, aber erst a mal muss i deren Sprachen lernen, i mein, auch wie die denkn, verstehst?
M: Es wird arm werdn hier, ohne di.
B: Außer dir wird mi kaaner vermissn.
M: Was sagn deine Eltern?
B: Die wissn’s noch gar net.
M: Hast nix erzählt daheim?
B: Naa. Da scho’ gar nix.
M: Und was meinst, was werdn die sagn, wann sie’s erfahrn?
B: Alt genug is er, narrisch genug is er aach. ‚Lass aan halt‘, wird der Vater sagn. Und die Mutter wird zum Heulen anfangn und nix sagn, du weißt ja, Emanzipation, da weiß die net mal, wie man des schreibt. – Trotzdem vielleicht wird’s mir sogar wegen die zwei auch schwer werden. Sie haben mir ja nie was g’tan. Aber, wo man so gar net verstanden wird, da ist’s halt schwer zu liebn.
M: Verstehst du denn mi?
B: Vielleicht hab i darüber immer zu wenig nachg’dacht. Du wollst mi haben und net die, die di gwollt haben. Des war was ganz Spezielles für mi. Auch dass d’ älter bist. Ohne di hätt i des vielleicht auch gar net g’bracht, da losfahrn und meine Bilder vorzeign.
M: Des wär aan schönes G’fühl für mi. Wann i wusst, i hab was beigetragn dazu, dass was wird aus dir. I will’s ja. I muss es ja wolln.
B: I will dir jetzt auch net gar so weinerlich erscheinen. I beiß mi scho’ durch. Erst wird’s schwer saan. Aber i lern ganz gut.
M: Wovon willst leben in der Stadt?
B: I hab was g’spart. I hoff auch, dass mein Vater mir was gibt. I kann die Leut porträtieren im Sommer, auf den Plätzen, das machen andere auch.
M: Und im Winter?
B: Bis dahin fallt mir was ein. Kellnern oder Pakete austragn. Wann’s alles nix hilft, kann i ja auf’n Strich gehen – oder meinst, i bin net hübsch g’nug?
M: Du Drecksau, du mistige!
B: War doch nur aa Spaß! Was regst di denn so auf?
M: Ja, was reg i mi auf. – Du, i muss jetzt allein sein. Es is net deine Schuld. Bitte geh z’ruck! I lauf noch aa Stück. Wir sehn uns ja morgn wieder. Aber lass mi jetzt!
B: Des wollt i net. I wollt doch bloß …
M: I bin dir net bös. Bis morgen!
B: Bist sicher, dass d’ allein sein willst? Wo wir doch nur sechs Wochn noch habn.
M: Ganz sicher. – Porträtierst mi noch mal, bevor dass du fortgehst?
B: Wann’s d’ willst. Zu jeder Zeit.
M: Fein. Dann geh jetzt! Bitte!
B: Ja … dann … Servus … Servus!
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ERLÄUTERUNGEN
Schwule reisen häufiger als Nichtschwule: Risikobereitschaft und Fluchtbedürfnis sind bei ihnen höher entwickelt als bei normalen Normalen. – Kein Wunder. Wenn man als Schwuler etwas werden will, muss man sich etwas trauen, und wenn man sich zu viel zugetraut hat, muss man sich aus dem Staube machen. (Das gilt auch für Heteros, aber über die reden wir ja nicht.)
Der Urlaub, das ist, schwule Soziologie zitierend ‚Flucht aus der von Heteros für Heteros gemachten Welt‘ (für wen denn sonst?). ‚Ausstieg aus dem Alltag, der geprägt ist von den Ängsten und Bedürfnissen der Normalen‘, hieß es früher in Werbebroschüren.
Wer daraus Konsequenzen und nach Süden zieht und an einschlägigem Ort sein Ferienlager aufschlägt, der kann bei reichlich Sex und Sonne Flucht und Risiko auf lehrbuchhafte Weise miteinander verbinden.
Zurück zum Anfang: Das Thema ‚Reisen‘, das bewanderte Autoren zum Schreiben dicker Bücher veranlasst hat – vom Schelmenroman bis zum Kursbuch –, wir wollen es hier nur oberflächlich streifen und dafür vier verschiedene Kategorien bilden.
1.) Geschäftsreisen
Schwule greifen gern nach Berufen, die es ihnen gestatten, unterwegs zu sein, nicht nur, weil das – wie Schwule ja überhaupt – als schick gilt, sondern: Sie erliegen zum einen dem Irrtum, dass sie woanders glücklich sein müssten, nur deshalb, weil sie hier unglücklich sind. Zum anderen trauen sie sich zu, mit Menschen und neuen Umgebungen umgehen zu können.
Diese Annahme ist folgerichtig, da ihnen ja bereits die Welt der Heten als Modell für Fremdheit zur Verfügung steht, und da haben sie sich auch eingewöhnt, na ja, so ziemlich.
Auf Reisen wird das Trainingsprogramm demgegenüber nicht wesentlich schwieriger, der Stress also nicht wesentlich verschärft, und deshalb sind Schwule auch friedliche Geschäftsreisende, die im Flugzeug nicht gleich wie andere Prokuristen nach Sekt brüllen, sondern sich bei der Stewardess entschuldigen, wenn sie ihnen Tomatensaft über den Anzug gegossen hat. Trotzdem können sie natürlich Stewardessen nicht ausstehen, denn sie verkörpern an böser Weiblichkeit ihrer Meinung nach alles, was den Schwulen daran zweifeln lässt, dass Heteros glücklichere Menschen sind.
Stewardessen, so stellt es sich dem schwulen Reisenden dar, betrachten ihre Serviceleistungen als Gnadenakt und Opfergang zugleich. Stewards sehen das mehr als freiwillig gewählten Beruf. Konsequenterweise kullern dem weiblichen Personal andauernd Perlen aus der Krone, während ihre männlichen Kollegen sich Lorbeer zu erwerben suchen.
Das ist natürlich schamlos übertrieben, und so schämt sich der schwule Passagier auch gleich gehorsam. Beileibe will er nicht frauenfeindlich erscheinen. Der garstige Außenseiter ist selten, der bereit wäre, nur noch mit einer einzigen Gesellschaft zu fliegen, wenn die bloß versprechen würde, Mütter mit Kindern grundsätzlich zum Schluss einsteigen zu lassen.
An der Tankstelle und im Zugabteil, an der Hotelbar und im Vertreter-Gasthof werden Sie den schwulen Geschäftsreisenden kaum von anders empfindenden Geschäftsreisenden unterscheiden können, wenn man mal von dessen Reisebekanntschaften und den weiteren, bereits beschriebenen Besonderheiten absieht.
2.) Gesinnungsreisende
Sie sind seltener geworden. Früher glaubte jeder Schwule, er müsse einmal im Leben nach San Francisco, so wie jeder Moslem nach Mekka will und muss. Für Finanzschwächere reichen zur Not auch Amsterdam oder der Nollendorfkiez in Berlin.
Wenn es die Schwulen gelernt haben, die fremde Gefahr und die eigene Attraktivität realistischer einzuschätzen, rücken allerdings einsame Dünenspaziergänge auf Amrum als akzeptable Alternative ins Blickfeld.
3.) Bildungsreisen
Schwule lieben Bildungsreisen. Sie begeistern sich an dem Unterschied der verschiedenen Kulturen, weil solche Feinheiten ihrer empfindsamen Seele zugänglich sind und ein wohliges Überlegenheitsgefühl erzeugen, das am Tag die kleinen Schönheitsfehler der Nacht ausgleichen muss.
Forschere Forscher sehen die marmornen Jünglinge, die sie tagsüber im Museum bewundern, als willkommene Ergänzung zum Fleisch und Blut der Abendstunden. Schließlich gibt es noch andere Kontraste als maskulin – feminin. Die Statuen im Pantheon sind jedenfalls Ausdruck einer ganz anderen Epoche als die Schaufensterpuppen im KaDeWe, finden sie.
Schwule machen also gerade Bildungsreisen häufiger als Menschen, die andersrum sind (von den Schwulen aus gesehen). Weil die Schwulen nämlich unabhängiger und neugieriger sind. Und auch, weil sie in jeder Stadt Freunde haben, bei denen sie schlafen können. Normale lernen auf ihren Geschäftsreisen Normale und Nutten kennen, Schwule kommen mit einem Päckchen Adressen zurück und darum privat wieder.
Solche Städtetouren von Schwulen spielen sich etwas anders ab, als es die Wochenend-Sonderangebote vorschlagen, die Reisebüros für Heteros bereithalten. Die Sehenswürdigkeiten heißen nämlich nicht bloß Louvre, Big Ben und Colosseo, sondern auch Tom’s Saloon, Eagle oder Man’s Place. Schwule würden genauso wenig auf die Idee kommen, ohne ihren Gay-Guide zu reisen, wie es Rom-Pilgern einfiele, ihre Bibel zu Hause zu lassen.
Und genauso, wie es dann die Kunst-Touristen auf der Suche nach den Kirchen aus dem Baedeker versäumen, sich die Stadt anzusehen, so vergessen es die zünftigen Schwulen, die Objekte ihrer Sammlerleidenschaft eingehend zu studieren. Sie hasten durch die Bars wie Gruppenreisende durch die Uffizien. Versunken in den Schiefen Turm, lassen sie dann Pisa links liegen.
Auch außerhalb der großen Städte sind Schwule liebenswerte Reisende, die nicht nach dem Prinzip auftreten: Wenn ich schon viel Geld ausgebe, dann will ich mich nicht auch noch benehmen müssen. – Im Gegenteil. Schwule fallen eher durch den Schnitt ihrer Bermudas auf als durch bierseliges Gegröle. Sie praktizieren die gewohnte Anpassung zur Freude der Einheimischen auch im Urlaub und wissen schneller als andere, was ‚bitte‘ und ‚danke‘ in der Landessprache heißt. Sie essen die Gerichte der Bevölkerung und landen in Istanbul – nicht bei dänischer Hygge.
Schon zu Hause haben sie die Tarnung ja nie so weit getrieben, dass sie sich normal angezogen hätten. Klar, dass sie auch im Urlaub vom Strohhut bis zur Sandale der Touristenkarikatur auszuweichen trachten. Vielmehr tragen sie sofort die Volkstracht der Umgebung, raffiniert stilisiert, und je nachdem, ob man sie in Salzburg oder Santorin trifft, sieht man sie dann in Loden oder Leinen. – Am liebsten allerdings tragen sie nichts. Das bringt uns zu:
4.) Erholungsreisen
Die sind natürlich die anstrengendsten.
Gemäß der schlauen Einsicht, Minderheiten wurden und werden immer unterdrückt (in der Demokratie sogar durch Volksabstimmung), suchen sich Schwule für den Erholungsurlaub mit Vorliebe eine Umgebung, in der sie unter sich sind. Gott sei Dank! Denn entfesselte Minderheiten zu betrachten ist nicht jedermanns Geschmack. Das ist ganz so wie im normalen Leben oder wie im schwulen Porno: Wen die Sache nicht heißmacht, den lässt sie kalt und stößt ihn ab. Verbot wäre wünschenswert. DAS gilt für St. Pauli wie für Oberammergau und Saint-Tropez. – Die Alternative zur Ausrottung ist das schon erwähnte Getto.
Die rausgeputzten Gettos von Ibiza und Mykonos befriedigen die Isolationsbedürfnisse der Schwulen wie der Nichtschwulen: bloß weg voneinander! Dabei bleiben Schwule nicht nur unter sich, sondern auch tolerant, fügen sich zwar kurzfristig gegenseitig Liebesschmerz zu, aber tun keiner Fliege was zuleide. Ach, selbst die Mücke dürfte ihr Blut haben (obwohl ja bloß die weiblichen stechen), wenn nur der Stich nicht so wahnsinnig jucken würde.
Tagsüber also nackt am Strand, nachts leicht bekleidet in der Disco – das ist vielen schon genug. Warum auch nicht?
‚Schwule‘ Urlaubsorte sind selten das, was man als ‚kleinkariert‘ bezeichnet. Und wo auch Heteros lieber auf der Piazzetta von Capri sitzen als beim Kurkonzert in Ruhpolding, da fängt vielleicht Verständigungsbereitschaft und sogar Verständnis an. Im Biergarten zu Haus kann man sich dann seiner Gemeinsamkeiten erinnern.
Dass Schwule besser nach Sylt als nach Syrien passen, ist ja klar. Für den Iran gilt das erst recht. So ein Perser kann sehr schön sein, aber das Leben auch. Dass in großen Teilen Afrikas und Asiens auf Homosexualität, oder zumindest deren Ausübung, hohe Strafen stehen, kann aufrechte Linke nicht davon überzeugen, dass dort noch etwas anderes wünschenswert sein könnte als die Vertreibung der Kapitalisten.
Wohin gehen Schwule also lieber, wenn sie Urlaub machen? – Selten ins Luxushotel, jedenfalls treffen sie dort nicht die, die sie treffen möchten. Gerade wenn man Geld hat, will man sich nicht unbedingt diese Art von Gesellschaft einkaufen, mit der man in einem ‚Excelsior‘ die Halle und den Privatstrand teilen muss. Für Rezeption und Restaurant gilt nicht dasselbe: Das Personal ist, wie fast immer, aufregender als das Publikum. Außerdem kauft man sich für Geld Liebenswürdigkeit, das kann erotischer sein als Sex. Angestellte in teuren Hotels sind häufig netter als Vermieter in Absteigen. Auch das Gegenteil erlebt zu haben, zählt zur Weitgereistheit.
Und sonst? Was beim Hetero-Durchschnitt beliebt ist, gefällt auch dem gängigen Schwulen.
Österreich, wo selbst normale junge Männer von morgens bis nachts miteinander im Café sitzen. Italien, wo die öffentlichen Urinbecken verstopft sind, aber sich die Carabinieri nach einem Kontrollblick in den Spiegel bereits die Hände waschen. Macht Narzissmus schmutzig? Spanien, wo die Männer wie die Stiere kämpfen, um (durchaus auch mal Männern gegenüber) männlich zu wirken. Griechenland, Türkei, wo Reisefreunde wildbärtige Schäfer mit ihrer Herde beobachten und denken: ‚So ist das Leben.‘ Anatolien mit Arkadien zu verwechseln ist kein typisch homosexueller Irrtum.
Es gibt auch Schwule, die sich für Wintersport begeistern. Sie sind, wie Gummi-Fetischisten, eine Minderheit in der Minderheit und laufen gut Ski, was man ja bewundern muss und soll.
Am Tag gehen sie auf die Piste, am Abend früh schlafen. Was auch sonst? Der Winter ist eine problematische Zeit für sexuelle Neuzugänge wegen der problematischen Haut, die viele dann haben: Was bekleidet noch einen anständigen Eindruck machte, wirkt ausgezogen wie ein halb aufgetautes Brathähnchen.
Wenn man trotzdem partout jemanden will, muss es wahre Liebe sein oder ziemlich dunkel. Weil beides sich nicht ohne Weiteres erzwingen lässt, gibt es den dritten Weg: Solarien.
Schwule lieben die Wärme: menschlich und meteorologisch. Ob man sie deshalb früher ‚Warme‘ genannt hat? Was ist denn schon so ausgefallen an dieser Vorliebe? Fast alle Menschen wollen Glück und Wärme. Nur: Wer zu lange in die Sonne starrt, wird blind – und da fängt es an, doch wieder ein typisch schwules Problem zu werden.
Edelweiss: ‚Bring Me Edelweiss‘
Ein Mix aus Pop und Folk
Das Mittelmeer-Medley hatten wir ja schon, deshalb hier passend zum Dialog etwas aus den Alpen. Diesen Hit habe ich in meinem 1988er-Film ‚verbraten‘. Wer ihn auf YouTube bis zum Ende aushält, weiß danach: ‚Damals‘ war nicht weniger verrückt als ‚Heute‘. Bandmitglied Thomas Schlögl brachte sich 1992 um. Erst?
Text, Musik, Produktion: Walter Werzowa und M. M. Gletschermayer, Gesang: Maria Mathis, musik. Refrainvorlage: ABBA – ‚S.O.S.‘, erschienen 1988
Der Abschnitt über Geschäftsreisen ist interessant. Dementsprechend wäre man dann so viel unterwegs um sich nicht mit dem Unglücklichsein zu Hause auseinanderzusetzen. Da mag durchaus was dran sein.
Reisen, um Unglück zu überwinden, kann klappen. In der Karibik und in der Business Class. Man nimmt sich selbst immer mit, mäkeln Moralisten. Aber man kann auf Reisen auch entdecken – sogar sich selbst.
Das Schlimme ist, dass man meistens irgendwann wieder zurück nach Hause muss. Und da trifft man dann oft auch wieder auf die alten Probleme. Und auf sich selbst.
Reisen ohne Rückkehr nach Zuhause sind auch nicht lustiger.
Ich finde ja auch man soll lieber ein paar Wochen irgendwo sein wo man seine Probleme vergisst, als in seinem Unglück ertrinken. Es kann ja auch einfach mal helfen ein bisschen Abstand zu haben bevor man sich mit einem Problem auseinandersetzt.
Aus einem anderen Blickwinkel sieht alles anders aus. Manchmal öffnen sich auch neue Dimensionen.
Erholungsreisen sind die anstrengendsten 😂 Tatsächlich kenne ich das auch. Manchmal ist man beim Erholen zu verkrampft. Hahaha.
Sich unbedingt erholen zu wollen, ist, wie unbedingt einschlafen zu wollen: schwierig.
Und aus unerfindlichen Gründen kommt das ja doch häufiger vor, als man eigentlich möchte. Beides. In einigen schlaflosen Nächten habe ich mich schon darüber geärgert.
Gelassenheit, die nicht Gleichgültigkeit ist – das wäre die Lösung.
Ich bin sicher, dass das in einem der unzähligen Selbstfindungsangebote vorkommt. Irgendwo kann man für viel Geld einen Kurs dazu buchen.
Ja. Es gibt kein Problem, an dem nicht irgendwer verdient. Ich lese, die F-J-Strauß-Tocher Hohlmeier hat ihrer Partei-Freundin Tandler mehrere Millionen für einen Maskendeal zugeschustert.
Bei Spahns Ehemann war das doch ähnlich…
Sind Homosexuelle wirklich sensibler als der Rest der Menschen oder ist das nur ein einfaches Klischee? Meine Erfahrung bestätigt das schon, zumindest wenn man das so verallgemeinern will. Aber woher kommt das?
Auf dem Markt ja, in der Beziehung nein.
Außenseiter reagieren sensibel. Je normaler es wird, schwul zu sein, desto unsensibler werden die, sie es sind.
Vieles trifft auf mich ja zu. Allerdings reise ich nie mit einem Gay-Guide im Rucksack. Diese Orte enttäuschen ja doch meistens nur. Aber gut, ich reise auch ohne Bibel nach Rom…
Auf Mykonos ist ein Gay Guide entbehrlich. In Rom reichen die No-goes des Tripadviser.
Oft sind die Adressen im Gay Guide ja auch identisch mit den No goes 😉
… also sind die No-goes identisch mit den Must-haves.
Eine große Lehre dieses unterhaltsamen Lehrgangs: Was beim Hetero-Durchschnitt beliebt ist, gefällt auch dem gängigen Schwulen. Gibt es auch noch so viele Unterschiede, am Ende ähneln wir uns doch alle.
Allerdings sind Hetero-Männer untereinander genauso unterschiedlich wie Schwule, nur seltener untereinander.
Edelweiss ist der erste Liedschatten, den ich mir nicht anhören kann. Die Band mochte ich damals schon nicht. Aber da fehlen mir bestimmt einfach die nötigen Assoziationen.
Kommt ja auch im ‚Liedschatten‘ gar nicht vor, deshalb hier ohne diese Überschrift. Ein Gag zum bayerischen Dialekt, mehr nicht. Am Sonntag wird es musikalisch nochmal ernsthafter.
Ah das war mir gar nicht aufgefallen. Ich dachte die Untermalungen der Tänzer-Reihe laufen alle unter diesem Titel. Danke für den Hinweis.
Ich bekomme beim Lesen dieses Beitrages gleich Fernweh. Ich freue mich schon so, dass man bald wohl wieder etwas unbeschwerter Reisen darf.
Reisen. Schön, wenn man nicht von Flug- oder Kreuzfahrt- oder Benzinscham betroffen ist. Das Umweltverträglichste ist Zuhause bleiben, sterben und Einäscherung vermeiden.
Man kann ja auch ein wenig bewusster leben ohne gleich asketisch zu werden.
Finde ich auch so. Sonst landet man ja, ähnlich wie in der Religion, gleich beim Extremismus.
‚Bewusst leben‘ ist immer gut. Ob die vielen Milliarden, die nicht unseren Bildungsstand haben, darunter dasselbe verstehen wie wir, frage ich mich. Und ob allein diese Frage rassistisch ist, frage ich mich natürlich auch.
Das System, welches diese Unterschiede befördert anstatt sie zu beheben mag rassistisch sein. Die Beobachtung und Aussage aber bestimmt nicht.
Ich höre immer nur, dass San Francisco fürchterlich verarmt und verdreckt sein soll.
Reich und arm gleichzeitig. Die spannenden Künstlerviertel werden wohl langsam von reichen Bänkern kaputt gemacht. So kenne ich das.
In Sausalito kann man eigentlich nicht viel verändern. Und Folsom Street war immer schon ziemlich kaputt.
Ich habe schon von Freunden gehört, dass es auf den Straßen so viele Obdachlose gibt wie sonst nirgends, dafür höre ich von anderen, dass die Stadt immer noch ein wirklich spannende alternative Künstlerszene bietet. Jeder berichtet doch auch nur das, was er während eines kurzen Touristen-Aufenthalts zu sehen bekommt.
Wenn ich mich da verliebe, ist auch Wanne-Eickel schön.