SCHNEPFENJAGD
Wir sind am See. Die Hunde kläffen heiser.
Vereinzelt schon ein Flattern und ein Schuss.
Folgte die Kugel jenem Schatten
oder schreckte sie ihn auf?
Beugt sich das Schilf dem Luftzug,
treibt es ihn?
Was macht den langen Augenblick zur kurzen Wirklichkeit?
Was lässt ihn gehen oder kommen oder sein?
Durchscheinend ist das Leben,
transparent.
Vergangne Zeiten reflektieren,
neue spiegeln sich.
Zeichen der Zukunft treiben schon vorbei,
während die Hand noch dem entschwundnen Segel winkt.
Das reine Licht flirrt über ewig neuen Wellen,
doch Licht und Wasser bleiben gleich
in wesenloser Bindung.
Einträchtig fließt Bekanntes neben Rätselhaftem.
In jeder neuen Tat klingt auch die alte wider.
In jedem Lied schwingen die andern Lieder mit,
das erste wie das letzte – alle Lieder.
Eine Bewegung wird entlarvt als ausgeführt,
eine Empfindung als gefühlt,
Ideen als Vermächtnis.
Gestern und Heute werden eins mit Morgen.
Es gibt nur gegenwärtige Verschmelzung und den Wind.
Aber die Spuren löschen ihn, sie sind beständig,
wenn auch ihr Ziel uns fern ist und veränderlich.
Die Sonne wechselt dauernd ihren Standort,
doch sie kreist.
Jäh schießt ein Vogel aus dem Röhricht,
lärmt und stirbt getroffen,
während der Zeiger zwei Sekunden fällt.
(1970)
Foto: ETRUK VIKTOR/Shutterstock | Titelillustration mit Material von Shutterstock: Kvocek, Fresh Stock, FlashMovie | Motiv mit Rauch: I FOOTAGE/Shutterstock
Wäre das Leben doch nur transparent. Vieles wäre leichter.
Und langweiliger.
Kompliziert heisst aber auch nicht immer unbedingt gleich spannend.
In jeder neuen Tat klingt auch die alte wider. Jawohl. So scheint es mir tatsächlich auch.
Dieser Zustand, wo Gestern und Heute auf einmal eins werden und im Morgen endlich Sinn ergeben, darauf warte ich immer noch.
„Das Gestern ist fort – das Morgen nicht da. Leb‘ also heute!“
Am CARPE DIEM versucht sich die Menschheit seit 23 v. Christus. In der Regel sagt sich das um einiges leichter, als es zu tun ist.
Carpe diem, carpe noctem … solange irgendetwas genutzt und genossen wird ist ja schon viel erreicht.
Das Leben ist zum genießen da. Vielleicht ist die Sinnsuche so einfach zu beantworten.
Für den einen reicht diese Antwort. Andere suchen ihr Leben lang.
Ach ja, die Schnepfe des Lebens schwirrt vorbei, ein guter Schütze muß sie eilig fassen.
Wer ist denn eigentlich momentan der neue Goethe? Lange keinen guten modernen Dichter mehr gelesen…
Lange auch keinen Goethe mehr gelesen muss ich zugeben 😉
Das sagte die FAZ 2006 zum Thema: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/literatur-zeilensprung-wo-sind-die-jungen-dichter-1305317.html
Natürlich sind diese ‚jungen‘ Dichter mittlerweile aber auch schon wieder nicht mehr so jung…
Reimen ist ja sowieso altmodisch. Ich liebe es trotzdem. Aber die meisten „Gedichte“ haben noch nicht mal mehr ein Versmaß. Dann sich sie bloß auf Zeilen verteilte Prosa.
Whisky ist ja auch altmodisch und hat trotzdem seine Renaissance 😉 Vielleicht darf man doch noch hoffen…
Naja gut, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Das Leben ist in der Tat ein kurzes.
Dem ein oder anderen kommt sein Leben furchtbar lang vor. Dafür gibt es andere, die fürchten, dass sie viel zu viel verpassen weil das Leben so schnell und so kurz ist. Ansichtssache.