In unserem Viertel – das kann Ihnen die Polizei bestätigen – wird leider besonders viel eingebrochen. Meist sind es Kinder, jünger als vierzehn, die noch nicht strafmündig sind und gleich wieder freikommen, wenn sie erwischt worden sind. Genau deshalb sind sie ja auch von ihren Eltern losgeschickt worden. Die Anwohner sind aufgebracht, und die Polizisten fühlen sich wie Idioten, denen man Aufgaben stellt, an deren Erfüllung niemand interessiert ist. Es muss sein, als hätte man jahrelang eine Mauer bewacht, die dann abgerissen wurde.
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Ich achte streng darauf, mir keinen, den ich auf frischer Tat ertappe, zu schnappen, bei dem ich nicht sicher bin, ob er womöglich doch schon vierzehn sein könnte, aber ich bin in jedem Fall schneller als die Polizei, und ob die kleinen Diebe Sinti, Rumänen oder Albaner sind, kümmert mich nicht, denn man kann es wirklich nicht rausschmecken. Das Fleisch ist bei den Zehn- bis Dreizehnjährigen ohnehin zarter als bei denen, die schon zu viel mitgemacht haben.
Die Organe gehen gleich an die Krankenhäuser überall in der Welt, das ist der finanziell attraktivste Teil, allerdings auch der moralisch heikelste. Für die Gebeine sind mir die Pathologen dankbar, und die Geschlechtsteile bekommen – tiefgekühlt – die Päderasten. Ich will gar nicht wissen, was die damit machen. Welcher Blumenhändler kann sich schon darum kümmern, in welchen Vasen seine abgeschnittenen Rosen landen?
Ich dünste das geeignete Fleisch in Zwiebeln und nehme reichlich Pfeffer und Lorbeer, um das Süßliche zu mildern. Immer noch ist Menschenfleisch ja so eine Art von Tabu. Für die Sauce verwende ich deshalb auch viel scharfen Senf und Tomatenmark.
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Die Bahnhofsstände, die von mir beliefert werden, haben längst die Döner-Buden und die Pizzerien der Umgebung an Zulauf überflügelt.
Ich hatte schon Anfragen von einigen Kneipen, aber die scheinen mir der rechten Szene zuzurechnen zu sein, und ich will auf keinen Fall, dass mir meine Maßnahmen in irgendeiner Weise ideologisch ausgelegt werden können. Ich würde für Mecklenburger Mädchen genauso viel Lorbeer nehmen. Ich wäre auch sofort bereit, der UNESCO meine Ware für Somalia anzubieten, umsonst sogar, aber ich fürchte erhebliche administrative Probleme.
Die meisten Köpfe kommen gleich in den Zerkleinerer. Aber manche sind ganz bezaubernd. Ich lege sie in Formalin ein und stelle sie in bauchige Vasen. Für diese Vasen habe ich in meinem Arbeitszimmer eine endlose Vitrine; vor der sitze ich manchmal die ganze Nacht lang. Ich versenke mich in die Anmut der Gesichter, und dann weine ich über die Welt.
Also Herr Rinke! Man bekommt ja wirklich das Gefühl, dass ihre Texte mit zunehmender Nähe der beschaulichen und friedlichen Weihnachtstage immer böser und blutrünstiger werden. Wenn das so weiter geht, weiss ich nicht ob ich die Adventsblogzeit überstehe.
Ich verschlucke mich gerade ein wenig, am unterdrückten Lachen. Oh mann…
Dass man trotz aller Bösartigkeit diesen fiesen Lachreflex verspürt, macht den Beitrag nur noch schlimmer. Gut, dass es noch Blogs gibt, die einen nachdenklich machen.
Schon wieder so kanibalig. Man könnte meinen der Winter bekommt Ihnen nicht, Herr Rinke 😉
Das schönste ist die Kategorie unter dem dieser Beitrag eingeordnet wurde: Allgemein / Wahnsinn.
Hahaha, klasse!
Da wird man doch besser gleich Veganer. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Man lebt gesünder und gehört zum coolen Teil der Bevölkerung.
Genau. Und in den Großstädten wird mit veganem Kuchen und Soja-Latte eifrig gegen den Klimawandel angegessen. Wenn’s doch so einfach wäre…
Militanter Veganismus ist natürlich genau so unsinnig wie unreflektierter Fleischkonsum. Ein bischen mehr muss man sich schon mit der Sache beschäftigen, wenn es nicht nur um das eigene reine Gewissen geht.
Gruselig, wirklich gruselig.
Wie geht reflektierter Fleischkonsum? Wir kaufen nicht im Supermarkt, sondern beim Bio-Schlacher. Aber ich gebe zu, dass die Tischgespräche bei der Roulade selten von glücklichen Rindern handelt.
Wenn in Südamerika Regenwald für neue Soja-Großplantagen gerodet wird und Kleinbauern verdrängt werden, ist das halt genauso unsinnig und falsch wie Massentierhaltung. Regionale und saisonale Küche sind meiner bescheidenen Meinung nach sehr viel sinnvoller wenn man etwas für sich und die Umwelt tun möchte. Das Rind stirbt natürlich, egal wie glücklich es vorher gelebt hat, auch beim Bio-Bauern.
Ich muss da Tatiana Lodeau Recht geben. Wenn die Prenzlberger Gutmenschen auf einen Schlag nur noch Soja-Latte trinken und Tofu essen, ist das für den Schutz der Umwelt auch nicht unproblematisch. Man macht es sich halt gerne zu einfach.
Hmmm, statt Tofu aber einfach weiter „reflektiert“ Fleisch zu essen macht’s ja wohl auch nicht besser…
Zum Thema: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/moralisch-essen-richard-david-precht-im-gespraech-13832399.html
Sehr interessantes Interview mit Precht über die Frage ob es möglich ist moralisch zu essen.
Ein wirklich sehr interessanter Artikel. Moral muss man sich halt leiten können. „Erst kommt das Fressen“, aber wenn man das satt hat, ist Zeit für die Moral.