Ein sanftmütiger Vorfrühlingstag, licht und leicht. Die Vögel äußerten sich. Für Menschenohren war es schwer auszumachen, ob sie jubilierten oder klagten. Wenige, lange Töne halten wir im Allgemeinen für Trauer, viele, kurze deuten wir als Frohsinn. Es war Zwitschern, sonst nichts.
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„Seht mal“, sagte Irene, „nächste Woche werden die Forsythien blühen.“ Es war wichtig, etwas Belangloses zu sagen auf diesem unerhörten Weg, um seine Bedeutung herabzumildern. Der erste Wochenendspaziergang so ganz anders: Guntram saß, ich schob, Irene bremste ihren Gang. Im Übrigen hatte sie recht. Die entsprechenden Zweige trugen etwas, das nach reifenden Pickeln aussah: zum Eitern verurteilt. Überall war Atmen: Morgen kommen die samtenen Weidenkätzchen, bald wird die Japanische Kirsche in triumphierendem Rosa blühen, und bis zu den prachtvollen Magnolien, die schon Modenschau spielen, bevor die Rosen knospen, ist es auch nicht mehr lange hin.
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Die Natur legt sich nie flach und sagt: „Ach nee, dieses Jahr will ich mal ausruhen“, sondern sie legt sich immer ins Zeug. Sie ist zuverlässig – erbarmungslos und tröstlich zugleich. Für ihre Launen hat sie das Wetter, für ihre Zuversicht die Unendlichkeit von Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Sie kann sich sogar den Luxus erlauben, auf Hawaii alle vier Jahreszeiten gleich zu belassen, ohne dass jemand auf die Idee käme, es sei mit ihr zu spaßen. Sicherheitshalber hat sie gerade da, wo sie nie mit Schneeverwehungen auftrumpft, besonders viele Vulkane und Wirbelwinde parat. Auch Erdbeben rülpst die Natur vorzugsweise in klimatisch angenehmen Gegenden.
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Den Rest an Katastrophen erledigen die Menschen, sie sind auch ziemlich zuverlässig, genauer gesagt: traditionsbewusst. Angst vor Neuem, vor Fremden, sogar vor Notwendigem, das erst später greift. Klimaschutz ist eher neumodisch. Einsicht kommt frühestens, wenn alle Grundbedürfnisse gestillt sind. Bei mir also eigentlich ziemlich bald, weil ich mir Grundbedürfnisse abspreche, abgesehen vom Schlaf. Vielleicht ist Tradition mein Grundbedürfnis. Oder meine Achillesferse. Unabänderlich.
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In meiner Kindheit gehörten unsere Wochenendausflüge zum Sonntag wie das Frühstücksei. Der Sonntagsspaziergang war eine solche Selbstverständlichkeit, dass ich mich nie fragte, ob ich ihn eigentlich mochte oder nicht. Schon in Berlin war er ganz fest eingeplant.
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Wenn der Waldweg durch den Spandauer Forst dann nach zwei Stunden immer noch nicht auf eine asphaltierte Straße geführte hatte, von der aus man sich dann überlegen konnte, in welcher Richtung es wohl zum Auto, zum Grunewald, zum Rinderschmorbraten, kurz: zum Ziel gehen würde, konnte ich auch schon mal quengelig werden. Mein Vater musste mich auf seinen Schultern tragen, und ich plapperte von oben auf ihn herunter, unbekümmert – Guntram liebte die Soße, die der Schmorbraten absonderte; ich liebte es, auf den Schultern getragen zu werden. Eigenartig, jetzt auf einem Spaziergang wieder zu ihm herunterzusprechen, während ich seinen Rollstuhl schiebe.
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Niemals habe ich das Leben geliebt, aber immer habe ich es gelebt, selbst, wenn ich bloß Kresse in die Salatsoße gestreut oder diesen Rollstuhl geschoben habe, in dem jemand sitzt, der bange hofft, dass dies sein letzter Frühling wird, und der mein Vater ist.
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So näherten wir uns dem Einkaufsparadies ‚Am Teich‘ mit seinen drei Läden: einen für Gemüse, einen für Brot und einen für geschlachtete Tiere. Kein Mensch außer meiner Mutter und mir sagt noch ‚Am Teich‘ oder versteht auch nur, warum wir diese paar stehen gebliebenen Einzelhandelsrudimente so nennen. Es ist einfach schon viel zu lange her, dass der Teich weichen musste. Er hatte nämlich das Pech, auf der geraden Linie zwischen der Ausfahrt Bahrenfeld im Norden und Reggio Calabria im Süden zu liegen. All den Kopenhagenern, die mit der Autofähre übersetzen wollten nach Sizilien, war der Umweg nicht zuzumuten, den es bedeutet hätte, den Teich am Leben zu lassen. Heute werden Projekte, die bloß der menschlichen Bequemlichkeit dienen, abgeblasen, wenn sie die Brutstätten des Langtasterwasserkäfers inkommodieren. In den frühen Siebzigerjahren hielt man Klimaprobleme für etwas, wogegen ein Regenmantel hilft. Allmählich trat ein Wandel ein. Die Stadtväter waren bald nicht nur bestrebt, ihre Kinder durch Hindernisse in der Fahrbahn zum Langsamfahren zu erziehen, sondern sie wollten es auch der Bevölkerung ersparen, durch missverständliche Namen in die Irre geführt zu werden. Lieber wollen sie seither Jung und Alt fürsorglich geleiten. Deshalb wurde ‚Am Teich‘ als Name gestrichen und die Liebermannstraße, die auf den Teich zugelaufen war, hieß von da an noch ein Stück weiter ‚Liebermannstraße‘. Der Teich hatte zwar so hinter den Häusern und deren rückwärtigen Gärten versteckt gelegen, dass ihn auch vorher nur die Anwohner sehen konnten, wenn sie aus ihren der Straße abgewandten Fenstern blickten, aber Liebermann ist zweifellos eine achtbare Persönlichkeit gewesen, dessen deutsch-impressionistische Gemälde ich mehr schätze als irgendwelche zugeschütteten Tümpel.
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Nie werde ich vergessen, dass meine Mutter mich mit dem Liebermann-Ausspruch zur ‚Machtergreifung‘ beeindruckte: „Man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte.“ Ich hatte sofort Verständnis dafür, dass jemand seinen mangelnden Appetit beklagte, denn das war ja auch mein Problem. Aber solche Hindernisse, wie Irene sie zu überwinden hatte, wurden nie vor mir aufgebaut. Wenn ich meiner Mutter mangelnde Abenteuerlust vorwarf, weil sie nicht mit mir Gespensterbahn fahren wollte, sagte sie: „Ich habe in meiner Jugend so viele Aufregungen erlebt, ich brauche keine mehr.“ Aber dann ließ sie sich doch überreden, mit mir durch das Spukschloss zu fahren – lange Zeit meine Lieblingsattraktion. Denn obwohl ich ein sehr ängstliches Kind war, dachte ich mir im Bett stundenlang Gespensterbahnen aus.
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Inzwischen waren wir vor dem Fleischereibetrieb ‚Am Teich‘ – jetzt Liebermannstraße – angelangt. „Am ‚Teich‘ ist alles teurer als anderswo“, behauptet Irene immer im Auto auf dem weiten, weiten Weg zu ‚Aldi‘, womit sie recht hat. „Die nutzen es schamlos aus, dass die Leute in der Umgebung auf sie angewiesen sind.“ Auch damit hat sie vermutlich recht. Nur führt das dazu, dass sie aus einer Plastikfolie ein sabberndes Stück dick geschnittenen, salzigen Aldi-Schinken herauszerrt und sagt: „Der ist doch gar nicht so schlecht“, während sie den hauchdünn geschnittenen Schinken vom ‚Teich‘ kommentiert: „Also der ist ganz gut, aber viel zu teuer.“ Hier, wo die Schlachtware teurer ist, behauptet der Meister grinsend: „Meine Rinder kenn ich beim Namen“, und er sagt es so, dass man nicht weiß, ob es ein Scherz, eine Lüge oder die Wahrheit ist.
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Menschen sind die einzigen Aasfresser, die den Kadaver erhitzen, bevor sie ihn fressen. Beim Tatar ist das anders: Für andere Menschen schwingt da noch so ein bisschen Raubtier mit, das seine Beute zerkaut (mit Kapern, Eigelb, Pfeffer, Salz, Zwiebeln – und Worcester-Soße nach Belieben); für uns wahrt das samstagabendliche Tatar den Anschein von Normalität und Tradition.
„Wenn das Fleisch wirklich gut ist, braucht es nichts weiter als etwas Pfeffer und Salz, aber gutes Fleisch gibt es ja heute nicht mehr“, sagt Irene. Sie ist grundsätzlich zunächst einmal voreingenommen, aber später manchmal auch eingenommen – eher von Menschen als von Rindern, aber auch das nicht oft.
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Nun konnten wir Guntram ja nicht gut vor dem Laden, dem einzigen, in dem er (früher) selbstständig gekauft hatte, abstellen wie ein Fahrrad, oder seinen Rollstuhl neben dem Schild mit dem Hundekopf und der neckischen Aufschrift ‚Ich muss draußen bleiben‘ warten lassen. Irene, die es hasst, wenn ich unbeaufsichtigt einkaufe, weil sie weiß, wie ausufernd ich werden kann, sagte heroinnenhaft: „Ich bleibe hier bei Guntram, aber nimm nicht mehr als zweihundert Gramm, du weißt, ich esse ‚das‘ nicht mehr!“ – „Ich habe auch keinen Appetit“, Guntram sah sehnsüchtig in die Schlachterei, sein Kopf war auf Thekenhöhe.
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Die Tradition für das Beefsteakhack besteht nota bene bei uns darin, dass es allsonnabendlich auf den Küchentisch kommt, nicht darin, gegessen zu werden. Meist wandern erhebliche Teile in die Tiefkühltruhe und werden Monate später zu Spaghettisoße verarbeitet.
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Ich musste mich nun doch in die Schlange einreihen. Alle Leute, die vor mir an einem Lebensmittelstand stehen, haben nur zwei Dinge im Sinn: Entweder wollen sie je zwei Scheiben von der Jagdwurst, der Mortadella ohne Pistazien, dem Heideschmaus, dem Bierschinken, der Groben Rügenwalder, der Blutwurst und dem Corned Beef oder sie brauchen für eine Grillparty Schweinerippchen, aus der Hüfte geschnitten und in goulaschgroße Stücke zerkleinert. Dann werden die Käufer beider Kategorien nachdenklich:
„Wie ist der Fleischsalat mit Kräutern?“
„Den machen wir selber.“ (Das ist ja an sich noch keine Empfehlung.)
„Was für Kräuter sind denn da drinne?“
„Da muss ich den Chef mal fragen.“ (Das ist ihr Mann.) „Chef, was für Kräuter tust du in den Fleischsalat?“ Sie muss brüllen, denn ihr Mann schneidet da hinten, wo niemand reingucken kann, gerade etwas aus einem Tier heraus, was er als das verkaufen will, was die Hausfrau erbeten hat, die als Erste in der Schlange steht.
„Der Fleischsalat ist prima“, antwortet er bestimmt. Seine Frau sieht die Kundin erwartungsvoll an. „Ich nehm’ mal hundert Gramm“, sagt die.
Endlich ist der Mann vor mir an der Reihe. Männer weiß ich inzwischen mehr zu fürchten als Frauen. Und wirklich: „Wie ist denn das mit den Würstchen heute?“, fragt er, so als ob die Würstchen gestern anders gewesen wären oder als ob er über Aktienkurse spräche.
„Sehr lecker“, sagt die Tochter so geistesabwesend, als dächte sie nur an den Ladenschluss und die abendliche Heavy-Metal-Sause. Oder sie versuchte, die Ingredienzien, die ihr Vater in den Kunstdarm gestopft hat, aus ihrem Gedächtnis zu löschen.
„Ja, also wissen Sie, meine Frau will sie für die Erbsensuppe, aber die Pelle soll nicht so fest sein.“
Die Mutter lässt die Jagwurst fallen, um ihrer überforderten Tochter beizuspringen.
„Mögen Sie es lieber etwas pikanter?“
„Ja, soll schon nach was schmecken.“
„Die Krakauer hier hat Knoblauch, nur ein bisschen, aber man muss es mögen.“
„Und die da?“
„Die sind milder, aber auch sehr gut.“
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Ich sehe durchaus ein, dass der Mann Schwierigkeiten hat. Falls mein Leben von meiner Frau abhinge und meine Biografie von ‚aber man muss es mögen‘ oder ‚milder, aber auch sehr gut‘, wäre mir die Schlange hinter mir auch egal, wenn ich eine Entscheidung zu treffen hätte.
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Ich konnte Guntrams Worte durch die Glasscheibe nicht verstehen, aber ich sah seinem Gesichtsausdruck an, dass er sagte: „Es ist kalt hier, nicht? Von irgendwoher zieht es.“ Nun würde Irene sagen: „Nimm meine Jacke“, aber weniger in einem Tonfall von Barmherzigkeit, sondern mehr in der Hoffnung, bereits auf dem Rückweg einer Lungenentzündung zu erliegen. – „Nein, Schatz, nein.“
„Ja, also, was willst du denn?“
„Mein Gott, kann man nicht mal etwas sagen?“
„Vielleicht nehm’ ich doch die ohne Knoblauch“. Zu meiner Erleichterung nahm die Tochter das ‚vielleicht‘ nicht wörtlich, sondern grapschte in die Schale.
„Wie viel?“
„Zwei Paar?“, fragte er zurück.
Als Antwort wickelte sie zwei Paar Würstchen in dieses altrosa-beige Papier, auf das alle Fleischer abonniert sind. Die Spice Girls und Keanu Reeves standen ihr näher als diese Frau, die ihren Mann losschickt, damit er die Einlage für ihre Erbsensuppe aus der Tüte beschafft.
„Tüte?“
„Ach ja, das wäre nett.“
„Bitte?“
Damit war ich gemeint. Trotz der barschen Frage änderte sich ihr Gesichtsausdruck, denn obwohl sie nur Fleisch- und Wurstwaren verkauft, weiß sie inzwischen, dass mit mir nicht gut Kirschenessen ist.
Ihr Vater muss das Tatar frisch für mich durchdrehen, und wenn ich länger als fünf Minuten warten musste, nehme ich noch etwas dazu, damit sich das Anstehen gelohnt hat. „Drei Scheiben gekochten Schinken, ganz dünn geschnitten“, sage ich routinemäßig, und sie regt sich nicht mehr auf darüber. Unter der Woche kaufe ich hinter Irenes Rücken Lammkoteletts und Filetsteaks, und so bin ich zwar Eil-, aber nicht Laufkundschaft.
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Irene registriert, leicht verbittert, dass ich nicht nur mit einem babyfaustgroßen Klümpchen, sondern auch mit etwas Handgroß-Flachem aus dem Laden komme. „Wenn ich so verschwenderisch gewesen wäre wie du, wären wir heute nicht, wo wir sind.“ Immer wenn Irene das sagt, beflügelt sie meine Fantasie. Ich sehe uns nicht mehr am ‚Teich‘ – Guntram im (Luft-)Zug und im Rollstuhl, sie im ‚C&A‘-Pullover und im Hader mit dem Schicksal, ich im noch ziemlich anständigen Regenmantel von Roland und im Begriff aufzubrausen –, sondern sie im Pelzmantel Martinis schlürfend am Strand von Acapulco, Guntram im Grab und mich im Waisenhaus.
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Die japanische Kirschblüte möchte ich unbedingt einmal sehen. Was für prachtvolle Eindrücke!
Ist zwar über zehn Jahre her, aber tun Sie das. Ich kann es sehr sehr sehr empfehlen.
Die einen verbringen den ganzen Sonntag auf dem Sofa, die nutzen die Chance um aus dem Haus zu kommen. Sonntagsspaziergänge sind die beste Gelegenheit für die zweite Variante.
Ich habe auf solchen Spaziergängen schon soviel Neues entdeckt für das meine Augen in der Woche keine Zeit hatten…
Gutes Fleisch gibt es heute nicht mehr? Ich hoffe, dass Ihre Frau Mutter da unrecht hatte.
Je weniger die Leute davon wissen, wie Würste (und Gesetze) gemacht werden, desto besser schlafen sie. Naja, man muss es mögen.
Das sind die wahrsten Worte. Es gäbe definitiv mehr Vegetarier, wenn sich mehr Menschen mit den Details der Fleischproduktion auseinandersetzen würden. Aber Ignoranz ist natürlich gemütlicher.
Es stimmt: je mehr man weiß desto mehr hört der Spaß auf. Aber ausschließlich seiner Verantwortung zu leben, das halte ich für verantwortungslos. Griesgram kann nicht der Sinn das Lebens sein.
Man könnte jetzt argumentieren, dass auch Vegetarier Freude am Leben haben. Griesgram ist sicherlich keine Lebensziel, die Vogel-Strauss-Methode hat aber auch noch selten geholfen.
Gerade gestern ein sehr leckeres Steak gegessen. Ich würde sagen die Sorge ist unberechtigt.
In der Jugend meiner Mutter gab es Massentierhaltung noch nicht, in ihrem hohen Alter noch nicht „bio“. Jede Generation hat ihre „Nicht-mehrs“ und ihre „Noch-nichts“. Alle in der zweiten Hälfe des 20. Jahrhunderts in Westeuropa Geborenen haben, aufs Ganze gesehen Glück gehabt, aus heutiger Sicht. Der einzelne sieht das womöglich anders.
Sie machen mich hungrig, Herr Rinke!
Wäre es nicht so warm, hätte ich wahrscheinlich auch Hunger. So ist mein Appetit quasi ausgeschaltet. Ein Glas kühler Weisswein muss reichen.
Das tue ich gern. Solange ich nicht selber essen muss.
Haha, ein Freund von mir kocht wahnsinnig gerne. Ihm vergeht aber immer der Appetit sobald das Essen fertig ist 😉
Gab es wirklich nie Liebe fürs Leben? Oder wenigstens Genuss? Das wäre recht tragisch!
Liebe zu Menschen, zu Landschaften, zur Kunst müssen reichen. Eine Liebe zum ganzen Leben gibt es auch, aber nur in Kombination mit Einfalt. „Lasset die Kindlein zu mir kommen“, denn die glauben noch, was das Werbefernsehen verkündet.
Interessanter Gedankengang. Ich hätte reflexartig sofort gesagt, dass ich diese Liebe kenne. Aber vielleicht liebt man wirklich nur Personen, Dinge, Orte in seinem Leben. Wie meine Haltung zum Leben als solches ist, bin ich gar nicht mehr sicher.
Als Kind habe ich es geliebt mit meinem Vater zum Metzger zu gehen. Jede noch so lange Schlange wurde in Kauf genommen weil ich wusste, dass vorne eine Scheibe Fleischwurst gleich auf die Hand auf mich wartet.
Solche kleinen Freuden werden im Alter weniger. Leider ohne dass neue nachwachsen.
Weniger werden sie, aber es gibt sie ab und an. Ich freue mich jedenfalls immer sehr, wenn ich mich in einer solchen Situation wiederfinde.
„Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.“ Vor langer Zeit gesagt, leider wohl noch aktueller als damals.
Ich würde auch nicht behaupten, dass der Mensch die Natur beherrscht. Im Gegenteil, wir sehen ja gerade, dass genau diese Vorstellung eben nicht funktioniert. Die Natur lässt sich nicht beherrschen. Darwin hat gesagt „Alles, was gegen die Natur ist, hat auf die Dauer keinen Bestand“. Da gehört der Mensch wohl auch zu.
Besser langfristig keinen Bestand haben als ewig rumleben zu müssen.
Das gilt allerdings nur fürs eigene Leben. Die Mitmenschen sehen das mitunter ganz anders.
Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende.