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0508
Fast am Ziel

Ins Wasser gefallen | #2

Fotos (2): Privatarchiv H. R.

Dienstag, 24. Mai
Am nächsten Vormittag waren wir im Wedding. Bei ALEKS & SHANTU in der Müllerstraße. Dort lernte ich Tobi kennen, der seither meine Homepage betreut und sich ausdenken muss, wie das hier ins Netz gelangt. Bei der Bebilderung versuche ich zu helfen, soweit mein Archiv und Rafałs Smartphone-Bilder das zulassen. Dann ging es weiter westwärts, zu meinen ehemaligen Wirkungsstätten. Am Ku’damm wird zurzeit nicht ganz so viel Staub aufgewirbelt wie im Osten, aber das West-Berlin meiner Kindheit ist kaum noch zu sehen, zumal es überwiegend aus Ruinen bestand. Ich hatte das ‚New York‘ am Olivaer Platz ausgesucht, das nun dort firmierte, wo es früher mexikanisch zugegangen war. Es war neu und chic und cool und kühl, und wenn es nicht geregnet hätte, hätte man draußen auf Leute und Platanen gucken können.

Foto: Tata Chen/Shutterstock

Am Nachmittag wohnte ich mein Hotelzimmer ab und las ‚Spiegel‘, damit ich eine Ausrede hatte, um nicht schreiben zu müssen. Die Ausrede hat gut gehalten. Bis auf ein paar Notizen habe ich erst gestern angefangen, den Reisebericht anzugehen: sieben Wochen! Die Nervenstärke hat nicht jeder. Silke und Rafał nutzten derweil die Fuhrunternehmen und Malls von Berlin, um shoppen zu gehen. Dabei braucht man, glaube ich, nicht mal etwas zu kaufen. Früher hieß das „Schaufensterbummel“; aber das sagt man wohl nicht mehr.

Meine Idee, am frühen Abend auf dem Leipziger Platz zu sitzen und zu erleben, was sechzehn Jahre nach Abriss der Mauer aus dem geschichtsträchtigen Platz geworden ist, fiel ins Wasser. Also gingen wir gleich nach nebenan zu ‚Peppone‘, nicht vor dem Restaurant auf der Piazza Lipsia, wie es mir vorgeschwebt hatte, sondern drinnen, hinten. Nikolaus war pünktlich wie immer. Er ist – man sagt, glaube ich, ‚Art Director‘ – jedenfalls ist er Grafiker, und er gestaltet Hüllen von CDs und Logos von Filmen für meine Veröffentlichungslosigkeiten.

Foto: Larisa Blinova/Shutterstock

Die Lage des Lokals und die ‚TripAdvisor‘­-Kommentare hatten mich beflügelt: „OK, aber kleine Portionen – hohe Preise …“ „Unbedingt eine Vorspeise bestellen, denn nur eine Hauptspeise reicht nicht. Die schwarzen Gnocchis mit Scampis sind wirklich empfehlenswert, nur es hätten einige mehr sein können.‟ „WLAN funktioniert nicht, weil es angeblich vor einigen Tagen Probleme gegeben hat. Hochpreisig, dafür kleine Speisekarte und nur eine Sorte Fassbier. Ziel ist anscheinend, dass man sich auf die Weinkarte konzentriert.‟ Es war auch wirklich alles sehr gut, nur leider viel zu viel für mich.

5 Kommentare zu “Ins Wasser gefallen | #2

  1. Hallo Hanno,

    den Schaufensterbummel gibt es auch heute noch, vorwiegend für Teenager mit wenig Geld. Es heißt jetzt window shopping.
    Ich unterhalte mich sehr gut mit den Texten, wie du an der Uhrzeit siehst schon morgens um 7.

    Liebe Grüße an dich und alle von Heidi

    1. Na klar. Das Fenster heißt „window“ und gebummelt wird nicht mehr: entweder man ist zielstrebig oder man chillt. Noch gelassener ist, wer sogar chillexen kann. Das werde ich jetzt in der Hängematte unter wolkenlosem Himmer tun. Danke für Aufklärung!

  2. Schaufensterbummel hin oder her, ich glaube nicht, dass Silke und Rafael es dabei belassen haben. Das würde mich sehr wundern:-)!

  3. Lieber Hanno, nach dem Sylturlaub konnte und wollte ich nun deine Berichte lesen, wie immer mit Bewunderung über deine Fantasie, den Ausdruck und die Selbstironie. Das lässt mich schmunzeln und macht gute Laune ! Liebe Grüße an euch alle! Sylvia

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