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0410

FERNBLICK

Ich muss einfach aufhören, mir die Quoten des vergangenen TV-Abends anzusehen. Das weiß ich längst, aber ich bin süchtig danach, mir täglich meine Dosis (Vor?)Urteile reinzuziehen.

Foto: Photographee.eu/Shutterstock

Dass RTL II den Abend vor der Deutschen Einheit mit „Love Island“ und „Undressed – Das Date im Bett“ bestritt, war nicht überraschend, die üblichen Serien der anderen Sender waren es auch nicht. Klarer Tagessieger waren „Die Toten vom Bodensee“, „grandiose 22,7 %“, jubelt „Meedia“ (dabei hatten mir schon die Schwarzwald-Tatort-Toten vom Vorabend die Schlaftablette ersetzt.). „Die Film-Premiere ‚Die letzte Reise‘ wollten nur 2,54 Mio. sehen – blasse 8,3%.“, berichtet „Meedia“ kommentarlos. Diese Reise war im Ersten ein „grandios“ gespielter Film mit prominenten Schauspielern über das Recht zu sterben.

Foto: Lisa F. Young/Shutterstock

Die meisten Menschen interessierten sich für keine wichtigen Themen, die sie selbst betreffen, sondern für platte Unterhaltung und vielleicht noch für einen Amokschützen in Las Vegas, solange die ferne Sensation noch ein wenig im labberigen Hirn kitzelt, rege ich mich angenehm auf. Denen wünsche ich allen eine „Brave-New-World“-Diktatur an den Hals und anschließend ein Leben nach dem Tod, in dem ihnen in alle Ewigkeit schneidend bewusst bleibt, was für Idioten sie waren. So kann ich meinen Glauben an ein gerechtes Jenseits doch noch zurückgewinnen. „Meedia“ ist meine Messe. Morgen bete ich wieder.

Foto: Prazis Images/Shutterstock

16 Kommentare zu “FERNBLICK

  1. Dass die meisten Menschen nur platte Unterhaltung wollen, ist ja nichts wirklich Neues. Dass mittlerweile aber sowohl die TV-Sender wie auch Hollywood ihr Programm immer anspruchsloser gestalten (so scheint es mir jedenfalls), finde ich allerdings erstaunlich und traurig.

  2. Ich frage mich vor allem, warum das deutsche Fernsehen dem wahnsinnigen TV Boom in den USA, England, Skandinavien so dermaßen hinterher hinkt.

    1. Demnächst gibt es immerhin die erste von Netflix produzierte deutsche Serie. Es gibt vielleicht Hoffnung!

  3. Man kann ja über die öffentlich-rechtlichen Sender sagen was man will – wenn ich mir das Programm von RTL II etc. anschaue, bin ich immer noch froh, dass es sie gibt. Wenigstens gibt es ab und an eine interessante Dokumentation oder einen spannenden Tatort.

    1. Ohne eine Grundsatzdiskussion über die GEZ anzufangen… wenn ich mir die Soaps, die Qualität der Spielfilme etc. im Ersten anschaue, ist die Grenze zwischen öffentlich-rechtlichen Sendern und Privatfernsehen ziemlich schwammig.

    2. Früher gab’s wenigstens noch Wetten dass?! und den Musikantenstadl. Aber mal im Ernst, dass man für den Quatsch im 1. und 2. wirklich zahlen soll ist doch absurd. Nur für ’ne realtiv unabhängige Tagesschau? Kann doch nicht sein…

    3. Ich habe seit mittlerweile zwei Jahren keinen Fernseher mehr im Haus und könnte nicht sagen, dass ich ihn sehr vermisse. Das einzig spannende sind für mich die Nachrichten und die kann ich auch über das Internet schauen.

  4. Ohne Fernsehen käme ich mir vor wie ohne fließend Wasser, nur sauberer. Auf Tele5 gibt es immer diese Gruselfilme, bei denen aus stillen Badeseen Monster aufsteigen und böse Menschen verschlingen. Zur ersten Werbepause stelle ich ab, aber ganz ohne? Das wäre wie Margarine ohne Mischbrot.

    1. Ganz ohne Fernsehen stimmt natürlich auch nicht. Ich schaue Nachrichten über tagesschau.de oder MSNBC auf Youtube. Und eine ganze Menge englischsprachige, dänische, italienische Serien auf Netflix etc. Selbst das Dschungelcamp kann man ja über’s Internet verfolgen. Die Abschaffung war wohl halb dem Programm und halb des hässlichen Gerätes wegen geschuldet.

  5. Ich lese gerade die Morgennachrichten. Wenn man sich anschaut, was in Hollywood und am Set von unseren geliebten Fernsehserien so alles passiert, mag man eigentlich gar nichts mehr schauen. Weinstein, Spacey… schlimm, dass wir 2017 immer noch nicht weiter sind. Ob das deutsche System ähnlich funktioniert?!

    1. Spacey ist ein guter Schauspieler mit Charakterschwäche, Wagner war ein guter Komponist und ein Charakterschwein. Luther war ein Judenhasser und Bauernfeind. Caravaggio war ein Maler und Mörder, u.s.w. Viele, deren Werke man bewundert, möchte man nicht zum Freund haben. Ethik und Ästhetik
      sind keine Geschwister. Damit muss man sich abfinden oder nicht. Man kann sich Filme auch erst anschauen, nachdem man den Lebenswandel des Regisseurs überprüft hat. Das vermeintliche Wissen „die Welt ist schlecht“ macht den Pessimisten gelassen, der Optimist verzweifelt.

    2. Zählt sexuelle Belästigung denn als Charakterschwäche? Grundsätzlich muss man das Privatleben eines Künstlers von der Bewertung seines künstlerischen Werks trennen. Ich verstehe aber durchaus, wenn man über Bill Cosby nicht mehr so lachen kann wie früher, oder statt House of Cards auf eine andere Netflix-Serie ausweicht. Der Genuss kann einem schnell vergehen.

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